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Blühendes Alter

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Es steht ein alter Kastanienbaum, Ein wunderlich blühendes Ding, Ganz nahe am eisernen Gartensaum An dem Eck von Stadtpark und Ring.

Wohl streut er als erster den Blütenschnee Aus dem bräunlichen Knospenhaus Unter den Bäumen in der Allee.

Doch bald ist die Blütenpracht aus.

Er steht dann ganz blumen- und blätterlos, Wenn alles noch grünet und blüht.

Ein trauriger Anblick, so arm und bloß. Wenn die Sonne am Himmel glüht.

Doch sind auch die andern Bäume so weit, Das Grünen und Blühen vorbei,

Dann wechselt der Alte wieder sein Kleid Und ist schön geschmückt wie im Mal.

Besät mit viel zierlichen Kerzen sind Die Zweige in hellgrün und weiß. So steht er, ein liebliches Frühlingskind, Nächst dem herbstlich verwelkten Greis.

Der blühende Baum spricht ein Trosteswort Zu dem, der die Hoffnung verlor:

Verzage nicht, denn auch ich war verdorrt Und stehe nun wieder im Flor.

Wien, September 1948

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