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Entspannungsübungen

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Entspannung ist kein Zustand, sondern ein Vorgang. Entspannung ist auf Spannung angewiesen.

Sonst hieße es nicht Entspannung, sondern Ruhe, Flaute, Schlaffheit, Weichheit, Inaktivi-tät.

Neulich hob' ich im Radio ge-

hört, daß einer „die Entspannung ausbauen" wollte. Wie macht man das?

Eine Verminderung vermehren? Eine Subtraktion addieren? Eine Erniedrigung erhöhen? Eine Zurückhaltung vorantreiben? Eine Schwächung stärken?

Bogenschützen und Geiger sind gegen die Entspannung. Auch Autoren van Kriminalromanen sind auf Spannung angewiesen. Und wenn man täglich, an Sonn- und Feiertagen zweimal täglich proklamiert: „Ich bin für die Entspannung, denn es gibt keine Alternative zur Entspannung", ist man wie ein Arzt, der angesichts

einer Infektion sagt: „Ich bin gegen die Infektion!"

Wie ein kleiner Bruder, den der große Bruder geohrfeigt hat und der die Hände in den Schoß legt und stolz ausruft: „Ich bin gegen die Gewalt!"

Wie ein Vertragspartner, der angesichts eines Vertragsbruchs

ausruft: „Es gibt keine Alternative zur Vertragstreue!"

Entspannung bedeutet: Eben war noch mehr Spannung, jetzt ist weniger Spannung. Gar keine Spannung wäre: Friede. Und den gibt's vorläufig nicht.

Zur Entspannung genören immer zwei. Das Seil kann noch so locker baumeln, wenn ich an einem Ende fest ziehe, ist's aus mit der Entspannung. Und wenn der am anderen Ende sagt: „Ich bin nach wie vor für die Entspannung", bewirkt er damit nichts. Und wenn er sagt: „Es gibt keine Alternative zur Entspannung", ist . er entweder verlogen oder weltfremd oder dumm.

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