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EXOTIK VERLIERT DEN REIZ

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Seit 1984 gibt es die Beratungsstelle für ausländische Frauen und Mädchen im WUK (Verein zur Schaffung offener Kultur-und Werkstättenhäuser) in Wien. Angefangen hat es als Beratungsstelle für Türkinnen. Mittlerweile hat sich das ausgeweitet und Frauen aus den unterschiedlichsten Herkunftsländern brauchen Dolmetscher für Amtswege oder soziale Hilfen vermittelt.

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Seit 1984 gibt es die Beratungsstelle für ausländische Frauen und Mädchen im WUK (Verein zur Schaffung offener Kultur-und Werkstättenhäuser) in Wien. Angefangen hat es als Beratungsstelle für Türkinnen. Mittlerweile hat sich das ausgeweitet und Frauen aus den unterschiedlichsten Herkunftsländern brauchen Dolmetscher für Amtswege oder soziale Hilfen vermittelt.

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Die Hälfte davon sind Frauen aus dem ehemaligen Jugoslawien, die zweitgrößte Gruppe kommt aus der Türkei, gefolgt von Frauen aus Osteuropa sowie dem arabischen, afrikanischen und asiatischen Raum.

Manchmal kämen auch Frauen aus einem westeuropäischen Staat, berichtet die Türkin Gamze Ongan, eine der Beraterinnen, aber diesen Frauen sei leicht geholfen, es gehe meist um rechtliche Fragen.

„Im alltäglichen Sprachgebrauch sind das ja keine Ausländerinnen", sagt Gamze Ongan, „wenn schon, dann sind es Schwedinnen, Amerikanerinnen und so weiter." Und als solche sind sie viel weniger diskriminiert als Gastarbeiterinnen oder Flüchtlinge.

Ausländerin ist also nicht gleich Ausländerin. Besonders schwer haben es Mosleminnen, die das Kopftuch tragen. „Die sind gleich dreimal diskriminiert", weiß Gamze Ongan, „als Frau, als Ausländerin und als bekennende Moslemin. Die Ausländerfeindlichkeit bekommen sie alle mit. Da hat jede etwas zu erzählen, auch wenn sie nicht gut deutsch versteht."

Die feindselige Stimmung, der die Frauen hier begegnen, ist umso schlimmer, als sie ohnehin schon sehr darunter leiden, von zu Hause weg zu sein.

„Unsere Klientinnen haben fast alle großes Heimweh", berichtet Frau Ongan, „in ihrem Dorf zu Hause haben sie oft viel mehr Freiheit genossen als hier in der Fremde." Mehr Freiheit, auch wichtige Dinge zu entscheiden, denn es ist ein Unterschied, ob jemand eine Bäuerin ist mit eigenem Besitz oder eine Putzfrau.

Zu alledem kommt noch, daß die meisten Familienmitglieder ja nicht hier in Österreich sind, sondern in der fernen Heimat. Für Personen, die an die Geborgenheit und Unterstützung einer Großfamilie gewöhnt sind ist das natürlich besonders schmerzlich.

Die meisten Türkinnen leben hier aber zumindest mit ihrem Ehepartner und ihren Kindern. Viele Frauen haben diesen Rückhalt nicht, nämlich jene, die hierher gekommen sind, um einen Österreicher zu heiraten. Häufig bieten diese Ehen für die Frauen menschenunwürdige Bedingungen. Sich scheiden zu lassen können sie sich aber fast nie leisten.

„Diese Frauen haben meistens keine Arbeit oder keine österreichische Staatsbürgerschaft. Wenn sie dann nicht schon fünf Jahre in Österreich gelebt haben, bekommen sie nach einer Scheidung das Aufenthaltsvisum nicht verlängert", schildert Gamze Ongan die Lage.

Eine Scheidung wird demzufolge in den seltensten Fällen von der Frau betrieben, sondern meistens vom österreichischen Ehemann. „Wenn der Reiz des Exotischen nachläßt, ist die Frau nicht mehr interessant", sagt Frau Ongan.

Von Härtefällen wissen die Beraterinnen im WUK überhaupt ein trauriges Lied zu singen. Die türkische Mitarbeiterin Aylin Arslaner schildert einen Fall aus ihrer Tätigkeit: „Da ist eine Frau zu uns gekommen, die 15 Jahre lang in Österreich gearbeitet hat. Sie hat hier Kinder und Enkelkinder. Jetzt ist sie psychisch krank, und zwar sosehr, daß sie nicht mehr arbeiten kann. Die Frühpension wird ihr aber nicht bewilligt. Jetzt wird sie als Illegale betrachtet, ihr droht die Abschiebung."

In erster Linie ist hier also eine Anlaufstelle für soziale Hilfen oder Rechtsauskünfte.

Wie überhaupt die neuen Ausländergesetze den Ausländerinnen große Probleme bereiten., Jeden Tag wird eine weitere Tür zugemacht. Wir sind durch die neuen Gesetze auch machtlos", meint Gamze Ongan, „diese Frauen haben nicht einmal Anspruch aufs Obdachlosenheim."

Was vielfach als einziger Lichtblick bleibt ist die Rückkehr nach Hause, wenn einmal genug Geld da ist - oder in der Pension. Eine Hoffnung, die sich in den seltensten Fällen verwirklicht. „Die allermeisten schaffen es nicht", wissen die Beraterinnen im WUK.

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