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Fall Grossman

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Der Ukrainer Wassilij Grossman (1905 geboren) publizierte seit 1934. Er war ein linientreuer Autor, Kriegsberichterstatter von Stalingrad, und als 1952 die Vorgeschichte der Schlacht in Romanform („Für die gerechte Sache”), fortsetzungsweise erschienen, kritisiert wurde, übte er Selbstkritik und korrigierte seine Arbeit für die Buchausgabe (1955). Als Fortsetzung kam der Schlachtbericht: „Leben und Schicksal”. Grossman reichte ihn ein, doch das 900-Seiten-Werk wurde in seiner Wohnung beschlagnahmt. Auf ungeklärte Weise kamen dann Abschriften — posthum — in den Westen und erschienen 1970 russisch, 1984 deutsch.

Grossman starb 1964, hatte aber vorher noch eine halb romanhafte Abrechnung mit dem Sowjetsystem geschrieben: „Alles fließt”. Der Originaltext wurde 1972 im Westen gedruckt und liegt nun deutsch vor.

Iwan Grigorjewitsch wird nach 29 Jahren Lagerhaft entlassen. Die Verlobte, die ihm achtzehn Jahre nicht geschrieben hatte, hielt er für tot, sie ist aber mittlerweile verheiratet. Vetter Niko-laj Andrejewitsch empfängt ihn feierlich, doch der Gealterte verläßt vor dem Festmahl die Wohnung, er hält verlogene Ausreden nicht aus. Schlüsselsatz: „Wirklich, es ist furchtbar draußen!”

Die Lenin- und Stalin-Analysen sind zu denken als das, was dem Entlassenen durch den Kopf geht. „Hier stand er — grau, gebeugt, unverändert, immer derselbe.” Ende. Auch die Verräter von einst sind dieselben geblieben, ungebeugt und unverändert.

ALLES FLIESST. Von Wassilij Grossman. Verlag Albrecht Knaus, München und Hamburg 1985. 237 Seiten, Ln., öS 218,40.

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