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Faschisten rechts, Faschisten links, Faschisten in der Mitten

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Also sprach Friedrich Dürren-matt: „Ich nannte Habe einen Faschisten, nicht, weil ich glaube, daß er Mitglied einer faschistischen Partei sei oder weil er einmal ein Faschist war, sondern weil er mit undemokratischen Mitein kämpfte und kämpft“, was die Kommunisten natürlich niemals getan haben und tun, weshalb sie ebenso natürlich keine Faschisten sind. „Es blieb keine andere Wortwahl übrig“, behauptet Dürrenmatt, obwohl doch auch „Saujud“ sich zwanglos da angeboten hätte; indessen: die Zeiten haben sich geändert und mit ihnen die Termini der Diffamierung, und nur die Menschen sind sich gleich geblieben, indem sie, statt gezielt zu argumentieren, lieber pauschal beschimpfen. „Faschist“ ist die Invektave, die deutschen Dichtern von Heinrich Boll aufwärts am häufigsten von den Lippen fließt; und wo man, etwa weil der Gemeinte als Antifaschist im KZ war, dann doch nicht umhin kann, zu differenzieren, gießt man den blanken Schimpf in den wissenschaftlich tuenden Jargon um und bezichtigt den, der auf „Faschist“ mit gerichtlicher Klage antworten würde, des „faschistoiden Verhaltens“ oder zumindest der „faschistoiden Gesinnung“ — in Analogie zu der im Dritten Reich geübten Praxda, pölitisclHweltan-schauliche Gegner mit Ariernachweis als „jüdisch verseucht“ oder „jüdisch orientiert“ abzuqualifizieren. Und dabei war, Jude zu sein oder jüdischer Kultur sich verbunden zu fühlen, noch nie eine Schande; Faschist zu sein aber wäre wohl mehr als schandbar. Hans Habe jedenfalls, um endlich auf ihn zurückzukommen, obwohl es um ihn hier nicht geht, „Habe ist stolz darauf, Antikom-munist zu sein, doch da er durch seine Kamipfmethoden unmöglich ein Demokrat sein kann, bot sich im Koordinatensystem der politischen Bezeichnungen nur die Möglichkeit, ihn als einen Faschisten zu bezeichnen.“

So einfach also ist das schon wieder „im Koordinatensystem der politischen Bezeichnungen“: Wenn jemand zwar niemals Faschist war, aber Antikommu-nist und gar auch noch „stolz darauf“ ist, dann bleibt „keine andere Wortwahl“.

Es soll hier nicht die politische Haltung des Herrn Habe gerühmt und das Deutsch des Herrn Dürrenmatt gerügt werden, und es wird auch darauf verzichtet, Herrn Dürrenmatt dahin zu belehren, daß Faschismus und Demokratie einander nicht unbedingt auszuschließen brauchen, oder gar dahin, daß man Antikommunist doch wohl auch aus sozialdemokratischer oder aus konservativer Gesinnung heraus und mit entsprechendien „Kaimpfmethoden“ sein kann. Davon sei hier nicht die Rede, denn jene „Wortwahl“, von wem auch immer verübt, bewirkt infolge ihrer abnützenden Grundlosigkeit und Häufigkeit schon kaum mehr die Verächtlichmachung des Apostrophierten, sondern — und eben dadurch — die Verniedlichung dessen, was der Faschismus tatsächlich war. Und das haben die Opfer nicht verdient.

Oder ist die Verniedlichung des Faschismus, weil er ja heute von links kommt, vielleicht gar gewollt?

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