Konflikt Schmerz Qual Mühe Statue - © Foto: iStock/Xirurg (Bildbearbeitung: Rainer Messerklinger)

Demokratiepolitische (Warn)-Signale oder: Wenn das Volk stört

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Über unzugängliche Denkmäler und die Unmöglichkeit, dort zu sitzen, wo es eigentlich verboten wäre.

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Über unzugängliche Denkmäler und die Unmöglichkeit, dort zu sitzen, wo es eigentlich verboten wäre.

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In letzter Zeit fällt es mir auf: Die Absperrungen im öffentlichen Raum nehmen zu. Ich meine nicht provisorische Hindernisse anlässlich von Demonstrationen, ich meine dauerhafte, gleichwohl oft provisorisch anmutende Beschränkungen, auch in den historischen Prunkgärten am Ring.

In meiner Kindheit saßen die mythenumwobenen „Gammler“ auf den Stufen des Theseustempels im Volksgarten und machten bestimmt irgendetwas Verbotenes, freilich ohne die öffentliche Ordnung zu stören. Das könnten sie jetzt nicht mehr, die Bundesgartenverwaltung hat den Tempel mit einer Absperrkette umgeben, ebenso das Denkmal der Kaiserin Elisabeth, dessen zum Sitzen einladende steinerne Bänke ein architektonisches Double Bind evozieren. Beim Grillparzer-Denkmal sind es gar Baustellen-Absperrgitter, die den Zutritt zur Sitzgelegenheit und den freien Blick auf die Dichterstatue verwehren.

Ist es die Angst vor Vandalismus? Volks- und Burggarten sind über Nacht ohnehin geschlossen. Mit hässlichen Gittern umstellt hat man auch die Teiche im Burggarten und im Stadtpark, und das Denkmal der Maria Theresia; ungeniert setzt man rot-weiße Absperrbänder ein. Der Hotspot des Absperrunfugs ist der Rathauspark, in dem ganze Parkteile wochenlang unzugänglich sind, weil ständig irgendetwas auf- oder abgebaut wird, den Votivpark hat man als Erholungsraum überhaupt aufgegeben.

Die ästhetische Selbstdemontage ist das eine, das demokratiepolitische Signal das andere: Im Volksgarten stört das Volk. Die der Allgemeinheit gewidmeten Räume werden dieser Stück für Stück entzogen, das Sperrgebiet ist der Stachel im Fleisch der offenen Gesellschaft. Auf der symbolischen Ebene passt dazu die Verbarrikadierung des Parlaments: Fast täglich findet man die Rampen durch Gitter abgesperrt, direkt vor dem Hohen Haus signalisiert ein Polizeibus den permanenten Ausnahmezustand.

Die Autorin ist Germanistin und Literaturkritikerin.

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