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Flucht vor dem Auftrag

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Es mußte ja kommen, und es kam auch: das Bekenntnis eines Teilnehmers am jüngsten Wiener Kulturkongreß, daß er kein Fernsehgerät besitze und auch seinen Studenten zu solchem Verzicht rate.

Noch immer schmücken sich Intellektuelle mit dem Bekenntnis, sie trügen durch Glotze-Verzicht zur Rettung von Kultur und Abendland bei.

In Wirklickeit ist solches Verhalten Kulturverrat. Kultur heißt Weltbewältigung, menschenwürdige Lebensgestaltung durch schöpferischen Gebrauch der angebotenen Mittel. Tugend liegt in der Askese, nicht im Totalverzicht. Wer sich der Mühe verantwortungsvoller Auswahl entzieht, kapituliert vor der Komplexität der Welt, aber er bewältigt sie nicht.

Nur unmündigen, die zum verantwortlichen Gebrauch von Werkzeugen noch nicht fähig sind, nimmt man diese von vornherein weg: „Messer, Gabel, Schere, Licht sind für kleine Kinder nicht."

Morallehrer, die Unmündige vor sich zu haben glauben, halten es mit Erwachsenen dann auch so: Statt verantwortete Elternschaft ernstzunehmen, versuchen sie, neben Schere und Messer auch Pille und Kondom zu verbieten. Das ist Kleinkinderpädagogik. Und genau so handelt, wer sich als stimmberechtigte Staatsbürgerin, als mündiger Demokrat einer Entscheidung am Wahltag entzieht.

Natürlich ist die Qual der Wahl oft groß, die Situation komplex, das Für und Wider vertrackt. Wer aber vor einer Entscheidung flieht, kapituliert vor dem Kulturauftrag zur Weltgestaltung.Immer häufiger fallen, woran Erhard Busek auf dem genannten Kulturkongreß erinnerte, Abstimmungsergebnsse heute millimeterknapp aus.

Noch nie hat eine Stimme so viel Gewicht gehabt wie neuerdings. Wer sie vergeudet, weil er kritisches Nachdenken, Prüfen und Entscheiden scheut, hat kein Recht auf eine nachträgliche Mängelrüge. Nur die wählen, zählen..

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