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Franzobels Wortßut

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Selten waren beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt die Juroren so einig wie 1995. Der junge Autor mit dem Pseudonymen Markenzeichen „Franzobel" überzeugte Publikum und Jury mit seinem fulminanten Vortrag der „Krautflut". Jetzt ist der Text auch zu lesen, und sicher ist ein Leser im Vorteil, der Franzobels Stimme, seine Bierpausen, den Bhythmus der Lesung noch im Ohr hat.

Er ist ein Avantgardist in der Nachfolge der „Wiener Gruppe", aber auch von Dada, von dem sich die Anhänger der experimentellen Poesie neue Impulse erhoffen. Doch ist in der „Krautflut" der Inhalt nicht gänzlich dem Spiel mit der Form geopfert. Eine Vierecksgeschichte wird erzählt, Herr Hauracker erlegt seinen Kontrahenten Hargenauer mit einem zielgenauen Schuß.

Franzobel agiert als Fabulator, der das vorgegebene Sprachmaterial auf neue Varianten abklopft, Metaphern und Idiome querlegt, aus Literatur und Alltag zitiert, aneinanderreiht und durcheinanderwürfelt, kalauert und palindromiert und stets nur scheinbar Kraut und Rüben mischt.

Immer bleibt er seinem Thema auf der Spur. Vom Resultat kann man nicht sagen, ob es komponiert ist oder ob es sich selbst generiert hat. Postmodern ließe sich vom Verschwinden des Autors raunen und von der Sinnverweigerung des Textes. Aber für Franzobels Fabulierlust ist es charakteristisch, daß er doch sehr wohl einer Geschichte seine ureigene Signatur verleiht. Seine Kunst ist irgendwo zwischen Apollinaire und Valentin angesiedelt und in den gelungensten Passagen von grandioser Komik. Wer ein Faible für sprachlich vertrackte Artistik hat, kommt bei ihm auf seine Kosten. Das Lachen aber, das seine Texte erzeugen, bleibt einem gottlob nicht selten im Halse stecken. Denn unter der „Krautflut" lauern die Schlünde unserer schönen neuen Zombiewelt, in denen die herkömmlichen Vorstellungen vom unverwechselbaren Ich längst abgesoffen sind. Der Rest ist ein „Scherzi".

DIE KRAUTFLUT

Erzählung.

Von Franzobel Mit einem Nachwort von Thomas Eder.

Frankfurt /Main 1995 (edition suhr-kamp). 96 Seiten, Tb., öS 95,-

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