Hängt ihn höher
Das Recht, das vom Volk ausgeht, kann nicht das Faustrecht sein.
Das Recht, das vom Volk ausgeht, kann nicht das Faustrecht sein.
Jüngst sagte die Psychiaterin Heidi Kastner in einer Fernsehdiskussion zum gewiss clamorosen, und nicht glamourösen, Fall T., als Gerichtsgutachterin habe sie sich längst abgewöhnt, sich „Meinungen“ zu richterlichen Urteilen anzumaßen, wenn sie die Causa aus Verhandlung und Akt nicht genauestens kenne. Der Politik sind solche Skrupel fremd. Eine junge Mitdiskutantin, die sich als Staatssekretärin für Jugendangelegenheiten (ÖVP) herausstellte, befand das Urteil gegen den Schauspieler (anders als die Staatsanwaltschaft) für zu milde und dessen Wiedereingliederung in die Gesellschaft für wenig wünschenswert. Ein Mob aus der rechten Corona-Impfgegner-Szene stellte vor dem Landesgericht und später vor dem Haus der Mutter einen Galgen mit dem Namen des Angeklagten auf. Der Wiener FPÖ-Chef bekundete auf Twitter Verständnis für Selbstjustiz, „wenn der Rechtsstaat so versagt“. Zu große Milde des Gerichts beklagte auch der Innenminister (ÖVP).
Die Morddrohungen gegen den Täter und seinen Anwalt und der Tenor der Berichterstattung in der Boulevardpresse gemahnen an den nationalsozialistischen Rekurs auf das „gesunde Volksempfinden“, mit dem man die Zwangskastration für Homosexuelle, erblich „Geisteskranke“ und für Triebtäter rechtfertigte. Neu und alarmierend an der jüngsten Entwicklung einer netzverstärkten Hetzmeute ist – darauf hat auch Florian Klenk im Falter hingewiesen – die Beteiligung linker Stimmen, die sich ebenso wenig um Details wie Gesetz, Spruchpraxis und Strafrahmen (juristisch ging es um ein „Vergehen“) scheren. Die grüne Justizministerin trat der bedenklichen Respektlosigkeit gegen den Rechtsstaat nicht entgegen, sondern versprach höhere Strafen, die grüne Frauensprecherin begrüßt „Schuldsprüche“ durch digitale Femeprozesse. Das Recht, das vom Volk ausgeht, kann in der Demokratie aber nicht das Faustrecht sein.