Künstliche Intelligenz und Kindesmissbrauch: Der Gesetzgeber übt noch

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Übersetzungsschwierigkeiten in Gesetzestexten verharmlosen Kindesmissbrauch.

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Übersetzungsschwierigkeiten in Gesetzestexten verharmlosen Kindesmissbrauch.

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Wenn natürliche Intelligenzen versuchen, so zu denken, als wären sie künstliche, kommt als Ergebnis, höflich ausgedrückt, natürliche Unintelligenz heraus. Ein Beispiel dafür liefert der in Begutachtung gegangene Gesetzestext zur Verschärfung des § 207a des Strafgesetzbuchs „Pornographische Darstellungen Minderjähriger“. Wenn die Politik einen prominenten Anlassfall braucht, um über sinnvolle Gesetzesreformen nachzudenken, hat das einen schlechten Beigeschmack; wenn sie das tut, weil die Zuständigen ihren Reformeifer für populär und medienwirksam halten, erst recht. Aber es können bekanntlich gute Dinge auch aus Bestrebungen von zweifelhafter Motivation erwachsen.

Nun sollte also die „pornographische Darstellung einer minderjährigen Person“ (in Deutschland spricht der § 184b von „Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte“) wegen der ihr innewohnenden Verharmlosung durch die „Darstellung von Kindesmissbrauch“ ersetzt werden. So weit, so nachvollziehbar. Im Gesetzesentwurf ist nun allerdings – neben anderen sprachlichen Missgeschicken – von „bildlichem sexualbezogenem Kindesmissbrauchsmaterial“ die Rede. Dies sei, hieß es, an den englischen Terminus „Child Sexual Abuse Material“ (CSAM) angelehnt, der sich international durchgesetzt habe.

Ein Gesetzestext hat aber andere Erfordernisse als der Artikel einer kriminalpsychologischen Fachzeitschrift: Er muss klar und verständlich formuliert sein, und zwar in der Amtssprache, und die ist hierzulande Deutsch. „Bildliches sexualbezogenes Kindesmissbrauchsmaterial“ statt schlicht „Darstellungen von sexuellem Missbrauch Unmündiger“ (passend zum einschlägigen Tatbestand) klingt wie das, was es ist: eine mehr als unbeholfene Übersetzung aus einer Fremdsprache. Vom Coolness-Faktor des Englischen bleibt da nichts als eine neue Verharmlosung durch Verklausulierung.

Die Autorin ist Germanistin und Literaturkritikerin.

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