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Feiertage

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In bundesdeutschen Debat- tierklubs grassiert dieser Tage die politische Quizfrage: „Was wollten die DDR-Deutschen eigentlich mit ihrer sanften Revolution?" Und wohlstands- verstörte Soziologen setzten mit gequältem Besserwisser- Lächeln nach: „Wohlstand oder Freiheit?" Auf die nahe- liegende Antwort, daß die Deutschen aus der Demokrati- schen Republik möglicherwei- se beides erhofft hätten, also genau das, was den westdeut- schen Bürgerinnen ja grund- sätzlich garantiert und tatsäch- lich gewährt wird, kommen sie nicht.

Das ist auch ganz verständ- lich, denn das, was man selbst und seit jeher hat, was man sich also nicht erkämpfen oder erarbeiten muß, was einem un- aufgefordert ausgehändigt wird, das schätzt man schon allein deshalb gering, weil man es gar nicht mehr bemerkt.

Stück für Stück erfährt auch der weder sozialwissenschaft- lich geschulte noch DDR-be- fahrene Zeitgenosse dieser Tage die alltägliche Realität mit ehemals real existierendem Sozialismus. Und da erfährt dann der staunende Bürger, daß es vor allem die Selbstver- ständlichkeiten waren, die der Staat seinen Genossinnen vor- enthalten hat: Die Feiertage zum Beispiel.

Natürlich hatten Partei und Staat zu allererst die Feiertage kassiert, die nicht ins ideologi- sche Konzept paßten. Gerecht war die Vorläuferin der Partei des demokratischen Sozialis- mus, die SED, freilich: den katholischen Christen hat sie Fronleichnam genommen, den evangelischen ihren Büß- und Bettag, beiden den ökumeni- schen Himmelfahrtstag. Im Ge- genzug gewährte man dann großzügig für alle demokrati- schen Republikaner zwischen Rostock und Gera die Fünfta- ge-Woche. Auf eine solche Idee hätten einmal die kapitalisti- schen Arbeitgeber kommen sollen!

Ostern und Pfingsten blie- ben immerhin unantastbar. Sie schützte der Sonntag, an dem auch sozialistische Arbeit ru- hen durfte.

Nunmehr ist ja auch in Deutschland-Ost wieder alles anders, also so, wie es anders- wo immer war. Die Menschen freuen sich über Feiertage, weil sie an diesen nicht zur offiziel- len Arbeit gehen müssen und, wie es in deutschen Landen häufig der Brauch ist, privat arbeiten können. Daher hat auch die neue mitteldeutsche Regierung kaum etwas Eilige- res zu tun, als die gegrapsch- ten Feiertage wieder reumütig zurückzugeben.

Es wird also in Gesamt- deutschland wieder einheitlich im Sommer- und im Winter- halbjahr zwei Feiertage in der Wochenmitte geben. Die Vor- stellungen über das, was menschlich und gerecht ist, werden wieder vereinheitlicht

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