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Die Entthronung der Drei Könige

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Dem Nationalsozialismus, der nicht einmal für den Beginn der Zeitrechnung eine Erinnerung an Christus mehr gelten lassen wollte, standen bei seinem konsequenten • Bestreben, seinem Rassenmythos Platz zu schaffen, die ragenden Säulen christlichen Lebens im Kalenderjahre, die Feiertage, lästig im Wege. Die Hauptfeiertage, die zutiefst mit dem Brauchtum des Volkes verbunden waren, als daß er sie hätte auslöschen können, deutete er bewußt um; für die Entwöhnung von den übrigen Feiertagen kam ihm der Krieg zu recht. So wurden außer den beweglichen Festen Christi Himmelfahrt und Fronleichnam auch die unbeweglichen Festtage Heiligen-dreikönig, Peter und Paul, Maria Himmelfahrt, Allerheiligen und Unbefleckte Empfängnis für die Kriegszeit als Werktage erklärt. (Deutsches RG. Bl. I, S. 262.) Väre er an der Herrschaft geblieben, so wären sie für immer verschwunden gewesen.

Man hatte erwartet, daß mit dem Zusammenbruch der Hitlerherrschaft die „Entnazifizierung“ sofort auf dem wichtigsten, dem geistigen Gebiete erfolgen und also auch die nazistischen Einbrüche in den religiösen Raum beseitigt würden. Es ist anders gekommen. Nach dem Zusammenbruch der Hitlerherrschaft, noch im Wirbel der Besetzung Österreichs und durch die aufgeriditeten Demarkationszäune von den meisten Bundesländern getrennt, brachte die provisorische Staatsregierung in Wien am 7. August 1945 ein Feiertagsruhegesetz heraus, das außer dem 1. Mai neun kirchliche Feiertage anerkannte. (Artikel I, 1. Als Feiertage im Sinne dieses Gesetzes gelten: 1. Jänner, Ostermontag, 1. Mai, Christi Himmelfahrtstag, Pfingstmontag, Fronleichnam, 15. August, 1. November, 25. und 26. Dezember.) Aber der 6. Jänner, der2 9. Juniund der 8. Dezember wurden nicht mehr in das Verzeichnis der auch staatlich geschützten Feiertage aufgenommen Damit wurde das Feiertagsgesetz der ersten Republik vom 2 7. Jänner 1933 wesentlich verschlechtert, das auch diese drei Feiertage in seinen Katalog einbezogen hatte.

Durch Jahrzehnte hatte der Staat gewohnheitsmäßig an allen kirchlichen Feier-

tagen kl allen seinen Ämtern, Schulen, Betrieben usw. Arbeitsruhe gewährt. Soweit ging diese Gewohnheit, daß Österreich erst mehrere Jahre nach Erscheinen des kirchlichen Gesetzbuches, das die pflichfige Feier etlicher Marientage aufgehoben hatte, verfügte, diese Tage (2. Februar, 25. März und 8. September) hätten als Werktage zu gelten. (Verwaltungsentlastungsgesetz vom 21. Juli 1925.) Wo es um Einschränkung der Feiertage ging, hat von jeher das Interesse gewisser Unternehmerkreise eine viel größere Rolle gespielt als das Verlangen der Arbeiterschaft. Man darf hier daran erinnern, daß es noch zur Zeit der Monarchie der sozialdemokratische Abgeordnete Franz Schuhmeier war, ein Wiener Volksmann von Rang, der in der schärfsten Weise gegen eine damals verlangte Abschaffung von Feiertagen Stellung nahm. Nur eines hat die Arbeiterschaft bei der' Behandlung der Feiertagsfrage immer verlangt: es sei der gesetzliche Feiertag normal wie ein Arbeitstag zu entlohnen. Während der ersten Republik erregte es viel Unwillen, daß Unternehmer an kirchlichen Feiertagen arbeiten ließen, während sie an Werktagen Feierschichten einlegten, die nicht bezahlt wur-'den. Nicht die Nötigung eines großen Arbeitsandranges hatte sie veranlaßt, am Feiertag arbeiten zu lassen, sondern der Wunsch, der Bezahlung eines arbeitsfreien Tages auszuweichen. Wie ich damals aus Gesprächen mit sozialistischen Betriebsräten des oberösterreichischen Kohlenreviers wiederholt feststellen konnte, empfanden viele Arbeiter und Angestellte das Unsinnige und Verletzende einer solchen Arbeitsordnung. Der Unwille der Bevölkerung über den damaligen von Unternehmern verursachten Wirrwarr in der Feiertagsheiligung führte zum Feiertagsgesetz vom 27. Jänner 1933, das außer den beiden Staatsfeiertagen 1. Mai und 12. November alle hohen kirchlichen Feiertage staatlich anerkannte. Die Bezahlung dieser Feiertage blieb allerdings weiterhin der damaligen Praxis einer kollektivvertraglichen Regelung vorbehalten.

Die Beseitigung der nationalsozialistischen Gesetz0ebung hätte Gelegenheit ge-

Armut

Sieh, dies ist Armut: nackt sein wie im Tod,

und, Aug in Aug mit Gottes Angesicht,

nichts haben mehr, nur sein — als kleines Licht

mitflammend in der Gnade Morgenrot;

und unbeschwert sein wie der junge Wind,

frei wie der Tropfen, der, von Sehnsucht schwer,

sich fallen läßt ins singendblaue Meer —

sieh, dies ist Armut — froh sein wie ein Kind.

Doch eine andre Armut gibts, die greift jus Lebensmark mit grimmer Grausamkeit, Verzweiflung brütend, nicht das gute Leid, in dem die Seele schön erblüht und reift — denn diese Armut kann das Licht nicht söhn, und ihre Not ist: ganz verlassen sein in Frost und Schmutz, und in der eignen Pein wie festgemauert und erfroren stehn.

Vor Gott sind alle arm, ob Mann, ob Kind. O bittre Armut, die das Herz zerreißt! O süße Armut, die das Licht lobpreist! Arm sind wir, wie 's des Himmels Vögel sind., denn was wir haben, ist nur leerer Schein, was wir besitzen, ist nur tote Last — drum bitt' in deines Alltags dumpfer Hast nur um die Gnade, selig arm zu seinl

Elisabeth Ravel sberg

geben, eine ebenso in religiöser, wie in sozialer Hinsicht befriedigende Regelung zu schaffen. Leider ist dies durch das überstürzte Gesetz vom 7. August 1945, bei dessen Zustandekommen eine gebührende Mitwirkung aus den meisten Bundesländern fehlte, nicht geschehen. Die durch dieses Gesetz erfolgte Ausschaltung des D r e i k ö n i g s-, Peterund Paul- und Mariä-Empfängnis-Festes aus der Reihe der gesetzlichen Feiertage legt vielen Tausenden von Arbeitern und Angestellten eine E i n-schränkung ihrer' religiösen Freiheit auf, einen Gewissenszwang, für den es im demokratischen Staat keinen Platz geben dürfte. Da der Staat selbst weitaas der größte Unternehmer ist, so ist er es vor allem, der viele Tausende seiner Beamten, Angestellten und Arbeiter zur Werkarbeit zwingt und ihnen die gottesdienstliche Mitfeier dieser Feste unmöglich macht. Die sehr stark im Rhythmus des Staates lebende Wirtschaft wird damit selbstverständlich auch zur Nichtbeachtung dieser Feiertage angehalten. Dem einzelnen Arbeiter steht es ja nicht etwa frei, an einem solchen Tage zwischen seinem Handeln nach seiner religiösen Überzeugung und dem Arbeitslohn zu warnen, sondern er muß den Arbeitslohn nehmen, wenn er nicht, weil er seiner religiösen Pflicht folgte und von der Arbeit fernblieb, seinen Arbeitsplatz verlieren will. — Der Fall des Gewissenszwanges ist hier ganz klargestellt.

Wo liegen heute etwa Schwierigkeiten für die Beseitigung dieses verletzenden Zustande s, der eben jetzt wieder, an diesem Dreikönigstage des Jahres 1947 in weitesten Volkskreisen schmerzlich empfunden worden ist?

Etwa bei einer gewissen Interesselosigkeit der Bevölkerung? Eine Volksabstimmung würde ganz bestimmt eine große Mehrheit zugunsten der Einhaltung der drei genannten Feiertage ergeben. Wirtschaftliche Bedenken? Manche erklären, die Wirtschaft sei mit den zehn vom Feiertagsruhegesetz 1945 anerkannten bezahlten Feiertagen bereits schwer belastet und eine Vermehrung dieser Feiertage um die drei noch fälligen sei einfach untragbar. Wenn damit im wesentlichen der durch die angestrebten Feiertage verursachte Produktionsausfall gemeint ist, so könnte es nur die Lösung geben, eben an den Werktagen diese für ein ganzes Jahr wenig bedeutenden 24 Arbeitsstunden hereinzubringen. Da wir ja in vielen Zweigen der Industrie sogar die Fünftagearbeitswoche und ganz allgemein 48-Arbeitsstunden-Woche haben, sind die dreimal a^cht Arbeitsstunden innerhalb der Feiertagswochen allein unschwer unterzubringen. Nun geht aber die allgemeine Entwicklung mit der fortschreitenden Technik dahin, di' Arbeitszeit zu verkürzen und die Urlaubszeit zu verlängern. Erinnern wir uns nur an die Debatten über das Arbeiterurlaubsgesetz und die Jugendschutzgesetze. Es ist ganz undenkbar, daß der Christ sich unter diesen Umständen an seinen hohen Feiertagen zu r Arbeit zwingenlassen soll. Erst will er an seinen Feiertagen frei haben, dann erst kommt der Urlaub an Werktagen.

Ein zweiter Einwand lautet: Die Unternehmerschaft kann die Bezahlung dieser drei Feiertage nicht übernehmen. Nun geht wiederum die Entwicklung dahin, dem in Stundenlohn stehenden Arbeiter alle Feiertage und Urlaubstage genau so zu bezahlen, wie sie dem ganzen übrigen Volk bezahlt werden, also allen Monatslohn- und Gehaltsempfängern und allen selbständigen Wirtschaftlern, die mit dem Warenpreis ja auch für die Feiertage ihren Lebensunter1 halt empfangen. Jeder Denkende empfindet es als eine pure Ausrede, daß der Unternehmer, der bereits den ganzen Arbeiterurlaub und die anderen zehn Feiertage einkalkuliert, nicht auch die drei letzten Feiertage noch ins Lohn- und Preisgefüge einbeziehen könnte. Gerade die gegenwärtig in Lohn und Preis so bewegliche Zeit gibt die Gelegenheit hiefür. Wir sagen es unumwunden heraus: Die Bezahlung auch dieser drei Feiertage für den Arbeiter ist eine Selbstverständlichkeit. Gerade das ist ein begrüßenswerter Fortschritt des Fsiertags-ruhegesetz 1945, daß es, über die bisherige kollektivvertragliche Regelung hinausgehend, die Unternehmerschaft angehalten hat, die zehn anerkannten Feiertage zu vergüten. Die angestrebte Gesetzesverbesserung bedarf nicht mehr als eines einzigen Satzes. Der Mitte Jänner wieder zusammentretende Nationalrat sollte nicht säumen,

eine Gesetzeskorrektur vorzunehmen, deren Gerechtigkeit kaum in Streit gestellt werden kann.

Nachwort der „Furche“

Der diesjährige Dreikönigstag hat die Sinnwidrigkeit der augenblicklich geltenden gesetzlichen Feiertagsunordnung drastisch dargetan. Das Dreikönigsfest, kirchlich als das Fest Epiphanie bezeichnet, ist eines der größten Feste der Christenheit, im Range höher selbst als das Weihnachtsfest. Seiner gesetzlichen Deklas-sierung zum Werktag widersprach heuer

in bezeichnender Art die Praxis. Nicht nur die Praxis verschiedener Industricunter-nehmungen, die ihren Arbeitern und Angestellten den Dreikönigstag freigaben und bezahlten — sondern es ergriffen auch staatliche Ämter unbehindert die Gelegenheit, Arbeitsruhe zu halten. Von der Unterrichtsbehörde wurde der Tag schulfrei erklärt. Die Salzburger Landesregierung gab ihrem Urteil über die gesetzliche Mißachtung des Feiertages durch eine Verfügung Ausdruck, die für alle Landesämter Arbeitsruhe anordnete und den Staatsämtern im Lande und den Salzburger

Gemeinden nahelegte, diesem löblichen Beispiel zu folgen. Mit einem Wort: Es tat jeder wie er wollte. Die gesetzliche Bestimmung für diesen Feiertag erwies sich deutlich als unhaltbar. Die Inkonsequenz der jetzt geltenden gesetzlichen Bestimmungen, die manche religiöse Feiertage als arbeitsfrei bestimmen und andere, ebenso große nicht, liegt auf der Hand. Wenn der Staat im Gesetze ohnehin anerkennt, daß er die Gewissensfreiheit und das religiöse Empfinden zu achten hat, dann hat er sie vernünftigerweise immer zu achten und nicht nur an Tagen nach seinem Belieben.

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