7079250-1993_29_12.jpg
Digital In Arbeit

Feiertage, Farcen, Signale

Werbung
Werbung
Werbung

Eine Vision: In finsterer Nacht strebt ÖGB-Chef Verzetnitsch heimlich dem Erzbischöflichen Palais am Stephansplatz zu. Dort beschwört er den Wiener Erzbi-schof Kardinal Groer:

„Herr Kardinal, im Namen aller unkirchlichen und konfessionslosen Arbeitnehmer Österreichs flehe ich Sie an, bleiben Sie hart. Dulden Sie nicht, daß uns auch nur ein einziger staatlich anerkannter kirchlicher Feiertag weggenommen wird. Sie haben dabei von uns jede Unterstützung. Wir legen unseren Handlungsbedarf vertrauensvoll in Ihre Hand. Sie werden verstehen, daß der ÖGB nicht offiziell für .Maria Himmelfahrt' eine Prozession, pardon, eine Demonstration abhalten kann.”

Schuld sind wieder einmal die Kärntner, weil sie einen neuen Feiertag einführen wollen. Und wer Österreichs liturgische Verhältnisse kennt, weiß, daß jetzt zwangsläufig auch das Gegenteil diskutiert wird, nämlich die Abschaffung von staatlich anerkannten kirchlichen Feiertagen. Denn 1. Mai und 26. Oktober (Nationalfeiertag) stehen natürlich nicht zur Debatte: wann sonst sollen die Österreicher ihre Fitneßmärsche machen?

Immerhin - was die gesetzlich anerkannten Feiertage betrifft, ist die „Insel der Seligen” europäische Spitze, jedenfalls noch in der EG-Vorbeitrittszeit. Die österreichische „Feiergemeinschaft” funktioniert perfekt. Kirchenfremde und Konfessionslose respektieren die kirchlichen Feiertage mit dem gleichen Emst wie gläubige Katholiken; Protestanten feiern in ökumenischer Gesinnung die Marienfeiertage und Fronleichnam mit und noch den Karfreitag (auch staatlich anerkannt) und den 31. Oktober (nur für Schüler) mit dazu.

Aber jetzt wird wieder einmal fleißig argumentiert: Die Wirtschaft jammert über die Milliarden, die durch arbeitsfreie Tage verloren gehen: die römischkatholische Kirche steht auf dem gesunden Standpunkt, grundsätzlich nichts Erworbenes aufzugeben, und der lutherische Bischof mahnt in unübertroffener Objektivität zum Gespräch.

Während die Wirtschaft in einem neuen Feiertag „ein verheerendes Signal in die falsche Richtung sieht”, hoffen die Kirchen, daß die alten, „staatlich geschützten” kirchlichen Feiertage Signale in die richtige Richtung sind. Nämlich: einer vielfach gefährdeten Welt die Botschaft des Evangeliums in bunter biblischer Gesamtheit zu verkündigen. Allerdings wollen sich die Kirchen nicht eingestehen, daß die Inhalte der Feste, um deren Erhaltung sie kämpfen, für viele bedeutungslos geworden sind.

Nur denen, die so gern danach fragen, was sie denn eigentlich von der Kirche hätten, sei es in aller Form unter die Nase geschmiert: immerhin elf zusätzliche Feiertage.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung