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Unfestlicher Feiertag

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Immer trauriger wird das Spiel um den österreichischen Nationalfeiertag: Je näher der Termin des 26. Oktober rückt, um so intensiver werden die Bemühungen der Bundesregierung, die Arbeitsruhe für diesen Tag durch den Eintausch eines kirchlichen Feiertages zu skhern. Inzwischen findet ein Teil dieses Spiels auch schon auf internationaler Ebene statt, die zuständigen Minister führen Verhandlungen mit dem Vatikan über eine Revision des Konkordats, nachdem man erst überraschend spät zur Erkenntnis gekommen ist, daß die Frage der Feiertage Konkordatsmaterie ist und daher auch nicht durch ein Gespräch zwischen Regierung und Bischofskonferenz gelöst werden kann. Aber nicht nur höhere Ebenen wurden vom Feiertagsproblem erfaßt, auch in den breitesten Bevölkerungsschichten bekommt die Frage ein Echo, doch durchaus nicht immer ein solches, das der Bundesregierung genehm ist:

Nicht nur in der katholischen Publizistik, die das Thema seit unserer Stellungnahme in Nr. 38/ 1966 in verstärktem Maße aufgegriffen hat, sondern auch in der Form von Resolutionen katholischer Organisationen, wie zum Beispiel der Katholischen Arbeiterbewegung, und auch in den Gesprächen des sogenannten „einfachen“ Mannes auf der Straße. Einhellig tritt in allen diesen Gesprächen die Meinung hervor, daß kein kirchlicher Feiertag, welcher auch immer, für einen freien Nationalfeiertag geopfert werden sollte. Und wenn auch die österreichischen Bischöfe bisher offiziell noch nicht gesprochen haben, so kann man doch vermuten, daß sich ihre Meinung mit der der Mehrheit der katholischen Bevölkerung Österreichs deckt.

Nun hat Bundeskanzler Dr. Josef Klaus durch seine Radioansprache am vergangenen Samstag eine neue Note in das Feiertagsgespräch gebracht: Zunächst eröffnete er eine Variante des Spiels, die bisher noch nicht diskutiert wurde, nämlich wohl einen Feiertag einzuführen, diesen aber den Arbeitnehmern nicht als bezahlten Feiertag anzurechnen. Nun, über diesen Vorschlag zu verhandeln, ist wohl Sache der Gewerkschaften. Doch noch ein anderer Aspekt aus der Rede könnte uns zu denken geben. Der Kanzler sagte: „Es sollte aber nicht übersehen werden, daß zwischen der Religionsfreiheit in unserem Land und dem Bekenntnis der Österreicher zu ihrem Staat ein echter Zusammenhang besteht.“ Was können cjiese mystisch klingenden Worte bedeuten? Will man sie harmlos auslegen, dann sind sie eine Aufforderung an die österreichischen Katholiken, im Staatsinteresse und aus Dankbarkeit für die gewährte Religionsfreiheit ein Opfer zu bringen und sich für das Aufgeben eines kirchlichen Feiertages auszusprechen. Man könnte aber auch meinen — und schon kursieren solche Befürchtungen —, daß der Kanzler die Katholiken durch den Hinweis auf die Religionsfreiheit mit sanfter Gewalt zu diesem Opfer nötigen will. Nun haben die Katholiken nie ein Opfer gescheut, wenn es um ihr Bekenntnis zu Österreich ging, und unser Blätt hat sich schon einmal in seiner Stellungnahme zum Feiertagsproblem (Nr. 29/1966) zu einem Opfer der Katholiken bekannt, wenn alle anderen Lösungsmöglichkeiten versagen sollten.

Was aber soll denn jetzt noch geschehen? Gibt es einen Ausweg aus der wenig festlichen Lage, in der wir nun rettungslos verstrickt zu sein scheinen? Es muß einen Ausweg geben, will man nicht den Nationalfeiertag, bevor es ihn überhaupt noch gibt, mit einer Unpopularität erkaufen. Diese Unpopularität hätte man am besten dadurch vermieden, wenn man von Anfang an das österreichische Volk in der geeigneten Form einer Meinungsbefragung an der Lösung dieses Problems hätte teilnehmen lassen; noch ist es nicht zu spät! Man kann einfach nicht immer wieder an das Verantwortungsbewußtsein der Bevölkerung appellieren und dann im Ernstfall dieses Volk in seinen Äußerungen ignorieren, ihm ganz einfach nicht Zutrauen, daß es auch vernünftig entscheiden kann. Wenn man von der Bevölkerung erwartet, daß sie bei Wahlen die richtige Entscheidung trifft, dann kann man ihr auch zumuten, die Feiertagsfrage richtig zu lösen.

Man darf auch nicht unnötigerweise am Konkordat rütteln, sonst könnte eines Tages späte Reue kommen. Das Konkordat, einmal auch nur in einem peripheren Punkt in Frage gestellt, könnte aber dann auch weiter Anlaß zur wenigstens versuchten Abänderung wichtigerer Punkte werden — wie aber soll sich die Kirche morgen verhalten, wenn sie heute einer Abänderung zustimmt? Man kann nur hoffen, daß die Mühlen des Vatikans weiterhin so langsam mahlen, wie es in anderen innerkirchlichen Fragen oft beklagt wird.

Aber vielleicht liegt das Grundproblem überhaupt darin, Zeit zu gewinnen. Auch hier wiederholen wir unseren alten Vorschlag, doch für 1966 mit einer Ubergangslösung zufrieden zu sein, oder sich gleich für den halben Nationalfeiertag zu entscheiden. Es ist bedauerlich, daß man an kompetenter Stelle, verfangen im Netz eigener Gedanken, nicht nach diesem Zeitgewinn greift. Niemand wird in einer so schwierigen Frage einen Vorwurf erheben, wenn man sich entschließen sollte, von einer vorgefaßten Meinung abzugehen: Besser eine Lösung für alle Österreicher, als das Gefühl des eigenen Sieges. Über den halben Feiertag ließe sich wahrscheinlich noch einmal mit den Wirtschaftskreisen sprechen (und der Kanzler könnte dann den Ball zurückspielen und den guten Willen der Wirtschaft herausfordern).

Noch trennen uns vier Wochen vom 26. Oktober. Bis dahin könnte es gelingen, eine gütliche Lösung zu erreichen, ohne „Gesichtsverluste“ irgendeiner Seite, aber akzeptiert von allen Österreichern.

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