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Nationalfeiertag - am Friedhof?

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Das Ganze ist „sehr österreichisch“, das heißt, im Grunde sehr traurig. Wir sprechen von dem Tauziehen, das erneut um den österreichischen Nationalfeiertag eingesetzt hat. Sein Datum steht zwar nicht mehr zur Diskussion, es bleibt beim 26. Oktober. Auf diesen Tag, an dem 1955 der österreichische Nationalrat die immerwährende Neutralität unseres Landes feierlich erklärt hatte, konnten sich die damaligen Koalitionsparteien dm vergangenen Herbst knapp vor dem großen Krach einigen. Aber was wäre Österreich ohne „halbe Wege“ zu „halben Taten“. So wurde zwar dem Wunsch der Patrioten aller Parteien und weltanschaulichen Lager nach dem österreichischen Nationalfeiertag Rechnung getragen, allein man versagte diesem Tag durch den Einspruch der Wirtschaft die letzte Weihe der allgemeinen gesetzlichen Arbeitsruhe. Daher feierten am 26. Oktober des vergangenen Jahres zwar erstmalig Schüler, Soldaten, manche Ämter und in Wien auch die Kommunalbeamten, für das Gros der österreichischen Bevölkerung war es kein Nationalfeiertag, sondern ein Nationalarbeitstag.

Dieser Zustand ist unhaltbar. Das hat sich in der Zwischenzeit auch herumgesprochen. Und es wächst in politisch maßgebenden Kreisen erfreulicherweise der Wille, den Zustand der Halbheit in Sachen Nationalfeiertag zu beenden. Insbesondere Bundeskanzler Dr. Klaus hat in den letzten Wochen, mehr als einmal darauf angesprochen, mit klaren Worten seine persönliche und die Bereitschaft der Bundesregierung zum Ausdruck gebracht, den 26. Oktober zum Fest- und Feiertag aller Österreicher zu machen. Er bittet nur noch um etwas Geduld.

Diese letztere Bitte geht auf die bekannten Bedenken jener Kreise der Wirtschaft zurück, aus denen man schon seinerzeit die Meinung kolportierte, ein weiterer Feiertag sei für die österreichische Volkswirtschaft nicht zu verkraften. Hier ist auch der Ursprungsort jener „Versuchsballone“, die in letzter Zeit gestartet wurden, und die den Verzicht der Kirche auf einen der staatlich anerkannten kirchlichen Feiertage gleichsam im Kompensationsweg für den arbeitsfreien 26. Oktober Vorschlägen. Der hier ins Gespräch gebrachte 8. Dezember wurde von den Katholiken erst vor wenigen Jahren neu erstritten, und der ebenfalls diskutierte 15. August steht als „Hoher Frauentag“ vornehmlich in der ländlichen Bevölkerung in hohen Ehren.

Wenn einige katholische Blätter den Ball mit der Bemerkung zurückzuspielen versuchten, man solle zunächst über den Ostermontag, bezie hungsweise Pfingstmontag sprechen, so muß davor gewarnt werden. Die Oster- und Pfingstfeiertage sind im Lebensrhythmus unserer Bevölkerung fest verankert. Wer also den Nationalfeiertag unpopulär machen will, der „tausche“ ihn gegen den Ostermontag beziehungsweise

Pfingstmontag ein!

In letzter Zeit wurde da und dort auch ein Feiertagstausch 26. Oktober gegen 1. November (Allerheiligen) zur Sprache gebracht. An diesem alten christlichen Fest, das vor dem Totentag Allerseelen steht, pilgern jährlich viele Zehntausende Österreicher zu den Gräbern ihrer verstorbenen Angehörigen. Was läge näher, als diese Friedhofsbesuche dann mangels einer anderen Gelegenheit am 26. Oktober abzustatten. Das Bundesvolk am Nationalfeiertag auf den Friedhöfen? Nein: Diese Vorstellung ist doch zu makaber.

Klopft man bei zuständigen kirchlichen Stellen an, so weiß man dort nichts von solchen propagierten Tauschgeschäften. Man hält auch davon wenig.

Aber muß überhaupt geopfert werden? Müssen wir als Katholiken auf einen Feiertag verzichten, um als Österreicher einen neuen zu bekommen? Nein, das sollte nicht unbedingt notwendig sein. Zu dieser Überlegung kommt man unschwer, wenn man einen Kalender zur Hand nimmt. In diesem Jahr fiel der 1. Mai bekanntlich auf einen Sonntag. Der 26. Oktober kann also 1966 ruhig arbeitsfrei sein, ohne daß die Wirtschaft auch nur um eine verlorene Arbeitsstunde mehr belastet wird. Der 26. Oktober wäre in diesem Jahr nur eine Kompensation für den verlorenen 1. Mai. Aber 1967, 1968, 1969 usw. Nur ruhig Blut und weiter den Kalender in der Hand behalten! 1967 fällt der 1. Jänner (Neujahr) auf einen Sonntag. Der 26. Oktober wäre also ebenfalls durch diesen Verlust im voraus „bezahlt“. 1968 aber kommt niemand anderer als eiben der 26. Oktober auf einen Samstag, 1969 aber auf einen Sonntag zu fallen. In beiden Jahren hätte die Wirtschaft also ebenfalls nicht die geringste Mehrbelastung zu tragen.

Aber 1970 und später? Kommt Zeit, kommt Rat. Außerdem sollten sich die Wirtschaftswachstumsgesetze, von denen wir in den letzten Wochen so viel Schönes gehört haben, doch so günstig auf die Expansion der österreichischen Wirtschaft auswirken, daß man in vier Jahren in Ruhe darüber sprechen kann, ob der neue Feiertag nicht doch bei gutem Willen volkswirtschaftlich zu verantworten ist. Und wenn die Entwicklung nicht so günstig sein sollte, wie es heute die Propheten weissagen? Dann, aber nur dann, könnte man tatsächlich an die Katholiken appellieren, sich ihrer alten Devise, „In unserer Liebe zu Österreich soll uns niemand übertreffen“, zu erinnern und die Frage der Opferung eines kirchlichen Feiertages ernstlich zur Diskussion stellen. Bis dahin lasse man ihnen auch Zeit, ein solches Opfer — und es wäre ein echtes Opfer — zu überlegen und in Ruhe zu diskutieren.

Für die Jahre bis 1970 aber gibt es, wenn man gleich uns den Kalender zu Rate zieht, wirklich keine wirtschaftlichen Gründe, dem österreichischen Nationalfeiertag weiter die Arbeitsruhe zu versagen.

Man beende deshalb das unwürdige Hin und Her durch einen klaren Entscheid, durch eine kraftvolle Tat. Je früher, desto besser.

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