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26. Oktober?

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Aus Warmbad Villach kam in der vergangenen Woche eine Kunde, die aufhorchen ließ. In einer sommerlichen Begegnung zwischen Bundeskanzler Klaus und Vizekanzler Pittermann seien nicht nur gute Vorsätze für die politische Herbstarbeit gefaßt, sondern auch praktisch eine Einigung in der Frage des so lange fruchtlos debattierten Nationalfeiertages erzielt worden. Ein Herzanliegen aller Patrioten, zu deren Dolmetsch sich seit Jahren gerade „Die Furche“ gemacht hat, steht demnach nahe vor seiner Verwirklichung.

Also darf man frohen Herzens die Glocken läuten und in Freudenrufe ausbrechen? Mitnichten. Wir billigen zwar nicht jene Stimmen, die hämisch bemerken, ein Feiertag sei auch das einzige, über das sich Schwarz und Rot heute noch einigen könnten. Nein, solche allein an materiellen Fragen interessierten Zeitgenossen wollen wir nicht sein. Im Gegenteil. Wir halten dafür, daß Einmütigkeit über die geistigen Grundlagen, auf denen ein Volk sich seinen Staat baut, die Voraussetzung für jede erfolgreiche Politik ist. Worin aber könnte eine solche Eintracht besser ihren Ausdruck finden als in dem Bekenntnis zu jenem Tag, der alle Bürger eint: dem Nationalfeiertag?

Wir wissen, daß auch hier nur der Weg des Kompromisses zum Erfolg führen konnte. Die Linke plädierte bekanntlich hartnäckig für den 12. November. Auf der Rechten hätte man nicht ungern dem 15. Mai — als „Staatsvertragstag“ — zur Ehre des österreichischen Nationalfeiertags verholfen. So will man sich, den Anregungen der Enquete des österreichischen Nationalinstituts folgend, auf den 26. Oktober einigen, an dem 1955 die österreichische Volksvertretung aus freien Stücken die immerwährende Neutralität unseres Landes beschlossen hat. Gut so. Aber wird der 26. Oktober auch von allen als solcher in den Herzen des Volkes verankert werden? Gibt es nicht — wir äußerten diese Bedenken schon auf der Enquete des österreichischen Nationalinstitutes — Kräfte, denen daran nicht gelegen ist, die den 26. Oktober nur als den „Tag des Abzugs des letzten Besatzungssoldaten“ (der übrigens schon früher abgezogen war) interpretieren wollen und werden?

Auch hört man, daß der 26. Oktober auch als Nationalfeiertag weiterhin normaler Werktag bleiben soll. Bedenken der Wirtschaft sprächen gegen eine Arbeitsruhe. Die bestimmt nicht in Verdacht mangelnden Verständnisses für die Interessen der Wirtschaft stehende „Presse“ bemerkt hierzu treffend: „Der Vorstoß zu einem sichtbaren gemeinsamen Staatsbekenntnis wird durch kommerzielle Erwägungen sogleich wieder gebremst. Der Staatsfeiertag soll nämlich nicht arbeitsfrei sein. Gerade weil man ihn sozusagen in der Retorte schuf, sollte man ihm doch als belebendes Element auch die äußeren Kennzeichen eines echten Feiertags geben. Andernfalls toürde auch dieser Feiertag nur offiziell begangen, aber vom Volke nicht gefeiert werden“ (17. August 1965).

Wieder einmal halbe Wege zu halben Taten? Fast muß man es fürchten. Ja oder nein! Heraus mit dem österreichischen Nationalfeiertag — als Feiertag des seiner neuen-alten Aufgabe bewußten österreichischen Volkes! Nur mit einem neuen Namen für den von Jahr zu Jahr systematisch abgewerteten und zuletzt allein als Schüler-und Soldatenfeiertag begangenen „Tag der Fahne“ ist niemandem gedient.

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