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Die Republik soll sich feiern

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Staatsfeiertag oder Nationalfeiertag? Warum nicht Nationalfeiertag? Wir haben seit sechzig Jahren die Nationalbibliothek, und niemand stößt sich an dem Namen. Wir haben eine Nationalmannschaft und denken uns nichts Politisches dabei.

In der Schweiz sagen sie „Bundesfeier“ und sind nicht sehr glücklich, weil sie keine rechte zeitgemäße Form für sie finden und der fatalen Festreden müde sind.

Aber bei ihnen ist das Wort „Bund“ bedeutungsschwerer als bei uns. Ihre Republik ist allmählich größer geworden, ist Ergebnis des Wachstums, unsere Republik ist Ergebnis der Teilung. Ihre Republik wollte werden, unsere mußte werden. Erst seit gar nicht so langer Zeit will Österreich so geworden sein, wie es geworden ist. Aber ein „Bundesfeiertag“ klänge nicht adäquat. Bleiben wir

Ich muß an den höchsten Feiertag des israelitischen Bekenntnisses, den „Versöhnungstag“, denken. Auch er ist ein Tag im Herbst. Er versöhnt den Menschen mit Gott, er läßt den Menschen um die Versöhnung Gottes mit ihm beten, er verhält die Menschen, sich mit ihren Gegnern zu versöhnen.

Welch eine Idee!

Ich träume von einer sinngemäßen Ubersetzung dieser Idee in das österreichische als Konzept für unseren Nationalfeiertag. Den alttestamentarischen Namen müssen wir ja nicht beibehalten.

An diesem einen, besonderen Tag sollte geschehen, was wir in patriotischen Höhenflügen als österreichische Idee, als österreichische Mission, als unsere große Besonderheit bezeichnen („eine kleine Welt, in der die große ihre Probe hält“) - von der Phrase, vom Klischee in die Wirklichkeit

beim Nationalfeiertag, vergessen wir den Staatsfeiertag.

Der Staat sind die anderen. Die Nation sind wir.

Das Datum ist noch nicht ganz in unser Bewußtsein eingedrungen. Ach ja, natürlich, am 26. Oktober. Auch die neue Hymne hat lange gebraucht, aber jetzt hat sie sich schon einigermaßen herumgesungen. Und der 26. Oktober wird's mit der Zeit auch derma-chen. Schade, daß es dieser nicht sehr einleuchtende Tag geworden ist. Er ist kein republikanischer Geburtstag. Ich wäre ja für den 12. November gewesen - zu spät! Jetzt muß auch ich mir den 26. Oktober angewöhnen.

Die Republik soll sich feiern. Die Bürger sollen ihre Republik feiern. Sie ist im November 1918 ausgerufen worden. Sie ist im Mai 1945 auferstanden. Sie ist im Mai 1955 international bestätigt worden. Aber im Mai gibt es schon so viele Feiertage - das war wohl ausschlaggebend. Im Oktober 1955 wurde die Mai-Bestätigung lediglich effek-tuiert. Es war nicht die Zeugung, nicht die Geburt, nicht die Wiedergeburt der Republik, es war nur gleichsam die Ratifizierung ihrer Eintragung in das internationale Register.

Sei's! Da wir ihn nun haben, diesen 26., wollen wir nicht verhehlen, daß auch uns, wie unseren eidgenössischen Nachbarn, die fatalen Festreden als Inhalt und Ausdruck eines vernünftigen, erwachsenen Feiertags in unserer Zeit einiges Unbehagen bereiten. Und hoch so viele Fit-Mitmacher sind kein brauchbares nationales Gegengewicht.

Was sollen wir an, was sollen wir mit unserem nationalen Oktoberfest anfangen?

übertragen: das scheinbar Unvereinbare vereinen. Das Mögliche verwirklichen.

Bruno Kreisky hält seine Rede in der ÖVP-Zentrale, Kärntner Straße, Josef Taus in der SPÖ-Zentrale, Löwelstraße. (Mir bleibt als Vorbild eine Szene vom Fernsehschirm her in Erinnerung: Der bei der Wahl unterlegene Josef Klaus sucht den Wahlsieger Kreisky in der Löwelstraße auf.)

Ein katholischer Geistlicher predigt in einer protestantischen Kirche, ein protestantischer in einer katholischen Kirche. Rabbiner nehmen an christlichen, Pfarrer nehmen an israelitischen Festgottesdiensten teil.

BSA und CV veranstalten eine gemeinsame Feier.

Ist das so utopisch? Wäre nicht in den Kindeljahren der Zweiten Republik unsere Sozialpartnerschaft auch als weltfremde Utopie belächelt worden?

Doch dies alles können wir frühestens am 27. Oktober für 1979 zu planen beginnen......

Wie begehen wir heüer den Feiertag? Ich möchte allen, die unserer Heimat gegenüber kleingläubig, negativ, aggressiv sind, als Motto einen Brief zitieren, den ich vorige Woche von einem nordwestdeutschen Gelehrten, der einige Tage in Österreich verbracht hatte, bekommen habe.

Er schreibt mir: „Die deutschen ,Aktualitäten' kommen mir plötzlich ganz öd vor, so ephemer. Das muß an dem Wiener Klima liegen, das einem geschichtsliebenden Menschen sehr liegt.“

Erfreuen wir uns an unserem Nationalfeiertag an dem Wiener, an dem österreichischen Klima! Versöhnen wir uns für vierundzwanzig Stunden mit Österreich!

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