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Der Nationalfeiertag mit Sinn erfüllt

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Das fünfundzwanzigjährige Staatsvertragsjubiläum bot nicht nur Anlaß, sich wieder einmal daran zu erinnern, welch großes, jedoch keineswegs unverdientes Glück dem österreichischen Volk mit der Erringung des Staatsvertrages zuteil wurde. Wie groß dieses Glück war, ersehen wir am besten daraus, wenn wir uns heute, ein Vierteljahrhundert später, nur ein bißchen in der Welt und vor allem in unserer unmittelbaren Nachbarschaft umschauen: Wenn wir uns dabei etwa daran erinnern, daß sowohl die Freiheitsregung des ungarischen Volkes im Oktober 1956 als auch der sogenannte Prager FrUhling am 21. August 1968 unter brutalstem Einsatz von Panzern im Keime erstickt wurden.

Dies alles wurde in vielen Reden und Veranstaltungen rund um das Staatsvertragsjubiläum festgestellt. Hiebei wurde in dankenswerter Weise nicht darauf vergessen, festzuhalten, daß der Abschluß des österreichischen Staatsvertrages, wie es Julius Raab in seiner Botschaft, die er nach dem erfolgreichen Abschluß der Moskauer Verhandlungen am 14. April 1955 von Moskau aus an das österreichische Volk richtete, in überzeugender Weise zum Ausdruck brachte, vor allem auch der aufrechten Haltung des ganzen österreichischen Volkes, die sie während der zehn harten und bitteren Jahre der fremden Besetzung an den Tag gelegt hatte, zu verdanken sei.

Damit ist eigentlich alles gesagt: Das ganze österreichische Volk war es, das durch seine Zähigkeit und Ausdauer, durch seine nimmermüde Wiederaufbauarbeit und nicht zuletzt durch seinen Glauben an Österreich den Staatsvertrag, den uns bei Gott niemand geschenkt hat, mühsam genug erringen mußte. Dieses österreichische Volk des Jahres 1955 sind diejenigen, die uns bereits vorausgegangen sind, und das sind die heute älteren und alten Menschen in unserem Lande.

Hoffentlich wird sich die jüngere und junge Generation nicht nur immer dessen bewußt bleiben, von wem die Grundlagen zur , Freiheit und zum Wohlstand gelegt wurden. Noch viel wesentlicher und entscheidender ist es jedoch, daß sie das große Erbe der Wiederaufbaugeneration getreulich bewahrt und es nach Menschenmöglichkeit für alle Zukunft sichert.

Das ist auch eine von vielen Feststellungen, die bei den verschiedensten Veranstaltungen anläßlich des Staatsvertragsjubiläums getroffen wurden.

Eine weitere Frage, die in den vergangen Jahren immer wieder eine gewisse Rolle gespielt hatte, wurde anläßlich der Jubiläumsfeierlichkeiten gleichfalls angeschnitten: Warum denn bei der überragenden Bedeutung, die dem 15. Mai 1955 in der österreichischen Geschichte zukomme, nicht der Tag des Abschlusses des Staatsvertrages zum Nationalfeiertag auserkoren worden sei, sondern der 26. Oktober.

Entgegen der noch immer viel verbreiteten Meinung, daß der 26. Oktober deshalb Nationalfeiertag wurde, weil an diesem Tag der letzte Besatzungssoldat österreichischen Boden verlassen habe, kann nur immer wieder festgehalten werden, daß dem keineswegs so ist, sondern daß der 26. Oktober untrennbar mit der Erklärung der immerwährenden Neutralität durch Österreich verknüpft und verbunden ist.

Infolge der außergewöhnlichen Bedeutung, die dem Entschluß Österreichs zur Erklärung der immerwährenden Neutralität für Gegenwart und Zukunft unseres Vaterlandes zukommt, ist der 26. Oktober als Tag des österreichischen Nationalfeiertages vollkommen richtig gewählt.

In diesem Zusammenhang drängt sich allerdings eine weitere Frage auf: Warum ist es bisher offensichtlich nicht gelungen, die Richtigkeit der Festlegung des 26. Oktober völlig außer Streit zu stellen und diesem Tag jenen Sinn zu geben, der es der ganzen Bevölkerung doch eigentlich leicht machen müßte, sich voll und ganz mit ihm zu identifizieren?

Wenn, wie es heute der Fall ist, der Nationalfeiertag lediglich der Wandertag der Nation ist, dann darf sich wirklich niemand darüber wundern, daß der Sinn und Zweck eines solchen Nationalfeiertages vielfach in Zweifel gezogen wird.

Der Nationalfeiertag muß, wenn er den Erwartungen entsprechen soll, die seiner Schaffung zugrundelagen, mit Sinn und Inhalt erfüllt werden. Machen wir uns nur ja nichts vor: das ist heute noch nicht der Fall.

Ich könnte mir durchaus vorstellen, daß dieser Forderung weitgehend dadurch Rechnung getragen werden könnte, wenn es gelänge, den 26. Oktober zum Tag der Solidarität und der Partnerschaft zwischen jung und alt, zum Tag der Begegnung zwischen den Generationen zu machen.

Wenn es richtig ist, daß die älteren und alten Menschen die Voraussetzungen für ein gesundes und geordnetes Staatswesen geschaffen haben - es gibt eigentlich niemanden, der dies in Frage stellt - und wenn sie daher nur den einen großen Wunsch haben, daß das von ihnen mühsam genug Geschaffene nie mehr verloren gehen möge, dann bestünde die schönste und überzeugendste Erfüllung dieses Wunsches doch wohl darin, wenn gerade am Nationalfeiertag die jüngeren Generationen bei den verschiedensten Gelegenheiten, seien es nun gemeinsame Veranstaltungen oder auph andere Möglichkeiten des Zusammentreffens von jung und alt, die Chance erhielten, ihren Willen und ihre Absicht zu bekunden, das Erbe der Väter nicht nur zu bewahren, sondern es fortzuführen und für alle Zeiten zu sichern und zu festigen.

In diesem Zusammenhang kann gar nicht nachdrücklich genug betont werden, daß derartige Veranstaltungen erst dann so richtig ihren Sinn erhielten und ihrem Zweck gerecht würden, wenn sie ganz bewußt jung und alt österreichweit vereinten und damit die Solidarität und die Partnerschaft der jüngeren und älteren Generationen vom Bodensee bis zum Neusiedler See und von der Thaya bis zu den Karawanken sichtbar in Erscheinung treten ließen.

Sosehr ich davon überzeugt bin, daß die Staatsvertragsjubiläumsfeiern des Jahres 1980 nicht nur nicht nutzlos, sondern daß sie sehr wohl notwendig und berechtigt waren: ihre wahre Rechtfertigung werden sie erst dann erhalten, wenn sie über den Tag hinaus wirken. Wenn sie es wären, die den Anstoß dazu gegeben haben, daß der Nationalfeiertag, um dessen wahren Sinn so lange gerungen werden mußte, endlich seine Sinnerfüllung gefunden hat.

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