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Digital In Arbeit

1. Mai nicht mehr frei?

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Donnerstag, 1. Mai 1986. Uber die Wiener Ringstraße, auf der im Vorjahr an diesem Vormittag noch SPÖ-Be-zirksabordnungen zur am Rathausplatz versammelten Partei- und Gewerkschaftsprominenz paradierten, rollt der Berufsverkehr. Statt der Transparente halten die Straßenbahner die Arbeit hoch. Und die Roten Falken drücken die Schulbank.

Der traditionelle Tag der Arbeit wird nämlich neuerdings jeweils am ersten Maisonntag begangen. Das ist 1986 der

4. Mai.

Der Nationalrat hat nämlich eine Novelle zum Feiertagsruhegesetz beschlossen, mit der - neben anderen bisher gesetzlichen Feiertagen - auch der 1. Mai „abgeschafft" bzw. der Tag der Arbeit offiziell auf den nächstfolgenden Sonntag verschoben wurde. Zum Ausgleich für dieses „Feiertagsopfer" wurde der fünfwöchige Mindesturlaub für alle Arbeitnehmer eingeführt.

Ende der Utopie. Aber so utopisch, wie dies auf den ersten Blick scheinen mag, findet Handelsminister Josef Staribacher dieses provozierende Gedankenspiel nicht. „Ich kann mir", sagteer zur FURCHE, darauf angesprochen, „alles vorstellen."

Denn: „Jeder Feiertag während der Woche, welcher immer das ist, bedeutet für den Handel und die Industrie eine schwere Belastung."

Freilich: Staribachers Vorstellungsvermögen kalkuliert mit ein, daß es hierzulande keiner wagen wird, den SPÖ-Bären in den Schwanz zu zwik-ken. Weniger Zurückhaltung wird dort an den Tag gelegt, wo es um Feiertage mit religiösem Hintergrund geht. Andere Partner, andere Sitten.

Und so tauchte auch jetzt im Zusammenhang mit der Urlaubsdiskussion die Idee auf, die beiden Donnerstag-Feiertage Fronleichnam und Christi Himmelfahrt auf Sonntage zu verlegen.

Damit, so Handelsminister Staribacher vor Funktionären des sozialistischen Freien Wirtschaftsverbandes am

5. November, könnte vor allem Klein-und Mittelbetrieben der Ubergang zur fünften Urlaubswoche erleichtert werden.

Außerdem: Wenn in Italien eine solche Übereinkunft mit der katholischen Kirche möglich sei, müßten auch in Österreich zielführende Gespräche denkbar sein.

Beifall für seinen Vorstoß erntete Staribacher postwendend bei der Industrie. „Ich glaube, daß der Herr Handelsminister hier die Interessen der Wirtschaft richtig aufgezeigt hat", meldete sich Christian Beurle, neuer Präsident der Industriellenvereinigung zu Wort.

Allerdings schränkt er ein: „Die liturgischen Schwierigkeiten mit der katholischen Kirche sind hier natürlich nicht unbeträchtlich, aber es finden sich, wie Italien zeigt, Wege."

Weit weniger Zustimmung fand Staribacher bei seinem Ressortkollegen im Sozialministerium. „Ich habe ihm gesagt", stellte Alfred Dallinger gegenüber der FURCHE fest, „daß ich zwar diskussionsbereit bin, habe aber gleich zu bedenken gegeben, daß die Kirche wahrscheinlich sehr starke Vorbehalte gegen eine solche Regelung haben wird, vor allem in Hinblick auf die Bedeutung dieser Feiertage für die Gläubigen dieses Landes."

Sie hat. „Von unserer Seite", betonte dazu der Grazer Diözesanbischof Johann Weber anläßlich der Bischofskonferenz Anfang November, „besteht keine Bereitschaft, die Feiertage zu verlegen."

Und der Linzer Weihbischof Alois Wagner noch deutlicher: „Wir wollen ja auch den Arbeitnehmern nicht einen freien Tag wegnehmen."

Während der Obmann der Christgewerkschafter, Hans Gassner, trotzdem glaubt, „Kirche, Regierung und Sozialpartner sollen sich diese Frage aushandeln", warnt sein Fraktionskollege Hans Klingler, Zentralsekretär der Privatangestelltengewerkschaft, alle Seiten:

„Allen ist zu sagen, daß es nicht darauf ankommt, sich mit der katholischen Kirche zu arrangieren. Die Frage der Feiertage ist längst über das Stadium hinaus, wo das eine Angelegenheit ist, die man mit den Bischöfen besprechen kann. Neben den religiösen Aspekten kommt dazu, daß es sich auch um sozialpolitische Errungenschaften handelt, die wir keinesfalls preisgeben würden."

Klingler kämpferisch: „Die Aufgabe bestehender Feiertage ist indiskutabel." Heute gehe es um Fronleichnam und Christi Himmelfahrt, demnächst könnten andere Feiertage in Frage gestellt werden.

Fronleichnam und Christi Himmelfahrt sind nur zwei von dreizehn Feiertagen, die im Feiertagsruhegesetz bundesweit geregelt sind; für die Angehörigen der evangelischen Kirchen, Altkatholiken und Methodisten kommt der Karfreitag als vierzehnter Feiertag dazu (siehe auch Graphik Seite 5).

Unabhängig von diesen Argumenten wäre theoretisch eine Verminderung der gebotenen Feiertage - nach dem neuen Kanonischen Recht durchaus möglich - eine Möglichkeit, von der in Italien und der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich schon Gebrauch gemacht wurde.

Allerdings ist die österreichische Feiertagsregelung nicht nur eine Angelegenheit, die mit einer Novelle zum Feiertagsruhegesetz abgetan werden könnte, sondern eine Konkordatsvereinbarung. Wenn also die Zahl der Feiertage vermindert werden soll, müßte die Regierung namens der Republik diesbezügliche Konkordatsverhandlungen mit dem Heiligen Stuhl verlangen.

Schon möglich, daß sich durch eine Verminderung der Feiertage der Wirtschaftsablauf reibungsloser gestalten ließe. Möglich auch, daß damit die Einführung einer fünften Urlaubswoche leichter würde. Trotzdem könnte sich eine solche Änderung gegen jene richten, für die sie gedacht wäre: gegen die Klein- und Mittelbetriebe.

Heute können sich am Feiertag Chef und Mitarbeiter erholen. Von einer fünften Urlaubswoche hat der kleine Gewerbetreibende gar nichts, und seine - sagen wir - vier Mitarbeiter haben anteilsmäßig mehr Arbeit.

„Schlecht ist er nicht, der Feiertag", findet auch der Wiener Arbeitsmediziner Vinzenz Lachnit. Ihn gegen mehr Urlaub einzutauschen, „würde aber für viele kleine Betriebe und Familienbetriebe sicher eine Verschlechterung bedeuten."

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