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Eine Kulturdemonstration

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Vor einem Jahr — im Jänner 1967 — haben die in der „Arbeitsgemeinschaft für Kunst und Wissenschaft“ zusammengeschlossenen 218 Verbände im Interesse von einein- viertel Millionen Kulturtätigen in ihrer Enquete über „Die wirtschaftliche Bedeutung der Kultur“ ein Kulturmemorandum verfaßt, in dem schon damals festgestellt wurde: „Ohne Rücksicht auf die Höhe zur Verfügung stehender Budgets muß grundsätzlich die Unterbewertung der Kultur entschieden zurückgewiesen werden; die Bedeutung der Kultur reicht weit über die unmittelbaren Interessen der Kulturberufe hinaus und daher ist jede bloße Almosengesinnung ihr gegenüber abzulehnen. Die kulturellen Einrichtungen sind Pflegestätten geistiger Bildung und Reife. Werden sie vernachlässigt, sind auch soziale und wirtschaftliche Krisen unausbleiblich.“

Dieses zwölf Punkte umfassende Memorandum wurde ebenso wie der „Appell an das kulturelle Gewissen“, den der Gewerkschaftstag im November 1966 beschlossen hatte, aßen zuständigen Stellen, den Verantwortlichen in Regierung und Parlament überreicht und ad acta gelegt beziehungsweise seine ernsten Mahnungen abermals in den Wind der täglichen Interessenkämpfe geschlagen. Das Kulturbudget für 1968 mit seinen empfindlichen Kürzungen beweist es. Lassen wir zunächst nur die Zahlen sprechen:

Fatale Einsparungen

Einzig das Hochschulbudget weist eine steigende Tendenz auf. Es wurde von 72,2 auf 85,5 Millionen Schilling angehoben, die jedoch zur Gänze durch Einnahmesteigerung zu decken sind. Alle übrigen Sparten haben besorgniserregende Abstriche erfahren. Das neunte Schuljahr kostet etwa 1 Milliarde, wofür jedoch nur rund 750 Millionen Mehrdotierung vorgesehen sind. Der Rest wird durch Einsparungen auf anderen Posten eingebracht. Allein für die Pflichtschulen sind an Stelle von 3,4 Milliarden 2,7 Milliarden vorgesehen. Die Volksbildung, die in anderen Staaten heute überall Vorrang genießt, weil man die eminente Wichtigkeit gerade der Erwachsenenbildung im Zeitalter des permanenten wissenschaftlichen Fortschritts erkannt hat, die Volksbildung wurde bei uns von 22,3 Millionen auf 18,34 Millionen herabgesetzt, mit der vagen Hoffnung, eventuell aus einem noch gar nicht sicheren Evenitualbudget noch 3,3 Millionen zu erhalten. Die bildenden Künste werden im Jahre 1968 anstatt mit 6,8 mit nur 5 Millionen infolge der Kürzung der Aufwandkredite bedacht. Für sie ist auch kein Posten im Eventualbudget vorgesehen. Die Förderungsausgaben für Musik und darstellende Kunst sind um 742.000 Schilling gekürzt worden. Auch die Literatur erhält heuer nur 5,1 statt 6.322 Millionen, ohne im Eventualbudget berücksichtigt zu werden. Die zweckgebundenen Kunstförde- rungsbedträge wurden von 15 auf 15,5 Millionen erhöht, aber die Förderungsausgaben wurden von 14,8 at 13,8 Millionen herabgesetzt. Ebenso setzte man die Förderungsausgaben für das Bundesdenkmalamt von 20 Millionen auf 17,35 Millionen herab. Das Eventualbudget sieht 11,4 Millionen für Baukostenvor schüsse vor. Die Bundesstaatliche Hauptstelle für Lichtbild und Bildungsfilm wurde von 20,796 Millionen auf 17,702 Millionen herabgesetzt, wobei ihre Förderungsausgaben um 2,7 Millionen gekürzt wurden. Die 0,8 Millionen der Budgeterhöhung für Bibliotheken (von 66,5 auf 67,3) entfallen zur Gänze auf den erhöhten Personalaufwand. Das fragliche Eventualbudget sieht 1 Million vor. Die Kulturinstitute im Ausland, unsere kulturellen Schaufenster in der Welt, wurden ebenfalls um 10,2 Millionen gekürzt, ohne daß eine Post für sie im Eventualbudget vorgesehen wäre.

Diese Zahlen sprechen eine überdeutliche Sprache. Dieses Jahresbudget 1968 hat erneut deutlich gezeigt, daß in Österreich eine moderne und entsprechend dotierte Kulturpolitik fehlt. Aus diesem Grunde sind die 218 Verbände der „Arbeitsgemeinschaft für Kunst und Wissenschaft“ gemeinsam mit der Studentenschaft zu einer permanenten Kulturdemonstration angetreten. Den Auftakt dazu bildete eine Enquete am 19. Jänner 1968 im Kleinen Festsaal der Universität, die abermals das Thema „Die wirtschaftliche Bedeutung der Kultur“ unter dem Vorsitz von Universitätsprofessor DDr. Richard Kerschagl behandelte. Als Redner nahmen zum Bud-

get 1968 und zum Thema der wirtschaftlichen Bedeutung Stellung: DDr. Richard Kerschagl, der auch ausdrücklich namens aller Lehrer sprach. Professor Dr. Wolfgang Speiser für die Volksbildung, stud. für. Stefan Schulmeister für die Studentenschaft, Dr. Viktor Suchy für die Literatur, DDr. Günther Henning für die Massenmedien Presse und Rundfunk und der Generalsekretär der Arbeitsgemeinschaft, DDDr. Karl Rössel-Majdan, der auch für die Gewerkschaft der Freien Berufe sprach, die sich mit den Zielen der Arbeitsgemeinschaft schon am Gewerkschaftstag 1966 solidarisch erklärt hatte.

Mangelnde „Kulturgesinnung“

Aus allen Reden klang der Appell nach der Änderung einer ungenügenden Kulturgesinnung, da ja das Budget am Ende nur der notwendige Ausdruck einer weitverbreiteten Fehleinschätzung aer Bedeutung der Kultur ist. IX.BU muß noch in vielen Köpfen, wie Dr. Vik tor Suchy sagte, dessen Ausführungen auch im Namen der durch keinen Redner vertretenen bildenden Künstler und Musiker gemacht wurden, die berühmte Bieio- hlawek-Haltung des „Kultur is, was a Jud vom andern abschreibt“ ausgerottet werden, jener berühmte Biertipplerstandpunkt, der vor allem in den Reihen der Finanzbürokratie zu walten scheint: „Was brauch ma denn dös alles, is eh gnua da.“ Sonst wäre ihre obstinate, amusische Verständnislosigkeit gegenüber den gerechten Forderungen von Kunst und Wissenschaft nicht verständlich. Dr. Suchy wandte sich leidenschaftlich gegen die Erhöhungen der Umsatz- und Ausgleichssteuer bei Büchern und Zeitschriften, die just in dem Augenblick eintritt, da sich die Steigerungsrate der buch- händlerischen Ausfuhr fühlbar verringert hat. Er wies die verheerenden Folgen nach, die sich daraus ergeben müssen, wogegen schon der Schriftstellerverband und der PEN- Klub energisch protestiert haben.

„Die Hinaufsetzung der Ausgleichssteuer“, so führte der Redner aus, „mit ihren Teuerungsfolgen bedeutet somit eine abermalige Schwächung des bereits empfindlich gekürzten Kulturbudgets auf dem Sektor der Literatur, Bildung und Forschung für den einzelnen, die Familie und die Gesellschaft. Sie ist in ihren Auswirkungen wirtschaftsschädlich, denn sie vertreibt unsere letzten Kulturproduzenten aus der Heimat, sie ist unsozial und läuft unmittelbar den kulturpolitischen Erfordernissen eines modernen Staates zuwider.“

DDDr. Rössel-Majdan, dessen Ausführungen auf dem Kulturmemorandum des Jahres 1967 fußten, betonte vor allem die Einmütigkeit der Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft, die entschieden gegen dieses wohl nicht mehr zu ändernde Budget protestiert und erwartet, daß das Eventualbudget ehebaldigst und in erster Linie für die Kultur zum Tragen gebracht wird und daß hierbei innerhalb der Kultur eine geplante Dringlichkeitsordnung geschaffen wird. Mit Recht betonte der Redner: „Was international für die Entwicklungshilfe gilt: daß die geistige Entwicklungshilfe vorangehen muß, wenn die materielle Hilfe Früchte bringen soll, gilt auch für jede Entwicklung der Wirtschaft im Inneren unseres Staates. Die Wis- sensbildung und die moralische Fähigkeitsbildung sehen wir dabei als gleichbedeutend an.“ Und mit ebensolchem Recht unterstrich der Redner: „Die bloße Beschwörung der kulturellen Vergangenheit zum Zwecke des Staatsprestiges ist zuwenig, um der zukünftigen Entwicklung Impulse zu geben.“

Der Veranstaltung, der man einen stärkeren Besuch, vor allem junger Menschen gewünscht hätte, sollen nun in kurzer Abfolge weitere folgen. Dazwischen werden Delegationen der Arbeitsgemeinschaft beim ÖGB, den Kammern, den Parteien und zuständigen Regierungsstellen vorsprechen, um den gerechten Forderungen von Kunst und Wissenschaft Gehör zu verschaffen. „Mögen die Verantwortlichen in Regierung und Nationalrat endlich Zusehen, daß Österreichs Kultur, die im wahrsten Sinne das Herzstück dieses Staates ist, nicht noch mehr Schaden erleide denn bisher!"

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