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Sperrstunde für unvertretene Interessen

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Die Rollbalken heruntergelassen hat in dieser Woche Handelsminister „Happy-Peppi“ Staribacher in der Diskussion um die Änderung der starren, in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich gehandhabten Ladenschlußzeiten. Staribacher hat noch vor eineinhalb Jahren eine umfassende Befragung aller Beteiligten zu diesem Thema in Aussicht gestellt, wobei die Meinung der Konsumenten eine große Rolle spielen sollte.

Inzwischen hat Staribacher über die Meinung der Konsumenten seine eigene Meinung geändert. In Nieder-österreich ist ein Volksbegehren für eine Neuregelung der Ladenschlußzeiten im Gespräch, was Staribacher in den „Oberösterreichischen Nachrichten“ kommentierte: „Wir werden schon sehen, wie das weitergeht. Ich hoffe nicht, daß da so ein Negeraufstand kommt.“ Man dürfe nicht auf die rund 180.000 Verkäufer und Verkäuferinnen vergessen, die von längeren Öffnungszeiten betroffen wären.

Die Diskussion ist heillos verwirrt. Die einen bringen Argumente, die von der anderen Seite nicht gehört werden, dafür lehnt die andere Seite Forderungen ab, die in dieser krassen Form nie erhoben worden sind. Und umgekehrt. Handelsangestellte sehen die Errungenschaften der 40-Stunden-Arbeitswoche dahinschwinden, Kleinunternehmer — vor allem Lebensmittelhändler — aipträumen vom Zusperren und Politiker der Regierungen auf Bundesund Landesebene ziehen sich auf die Formel „Man nenne mir eine bessere Lösung!“ zurück.

Insgesamt: Eine typisch österreichische Lösung auf dem Rücken der Konsumenten. Auf dem Rücken derer, die nicht in Interessenvertretungen zusammengefaßt sind und kraft dessen aus der klaren Sicht der Politiker auch keine vertretbaren Interessen haben können ...

Die Interessen der Gewerkschaft und der Kammern stehen damit wieder einmal im Gegensatz zu den Interessen jener, denen kein Gesetz den Rücken stärkt.

Ähnlich war die Problematik der Interessengegensätze, als die gewerkschaftlichen Briefträger befanden, am Samstag keine Post mehr austragen zu müssen. Proteste gab es zwar in reichlicher Anzahl. Aber niemand wagte es, den von Gewerkschaft und Arbeiterkammer ferngesteuerten Herren zu sagen, daß eben auch die Post eine öffentliche Aufgabe zu erfüllen hat und daß die sture Vertretung gewerkschaftlicher Leitlinien bisweilen auch hinter jenen Aspekt zurückzutreten hat, der vom Schlagwort „Lebensqualität“ ausgeleuchtet wird. Ein Postler kann ja seine Fünf-Tage-Woche auch dann einhalten, wenn er seinen zweiten freien Tag statt am Samstag irgendwann in der Woche nimmt. Möchte man zumindest meinen.

Und so verhält sich das auch mit den geschlossenen Läden: Wer, bitte schön, hat jemals verlangt, die Geschäfte sollten täglich zwölf Stunden offen halten und dann womöglich auch noch am Sonntag den Rollbalken hinaufziehen? Niemand. Was die meisten Konsumenten — und darunter nicht wenige berufstätige Frauen — wollen, ist lediglich, daß die Ladenschlußregelung flexibler gehandhabt werden kann. Daß die gesetzlich vorgesehene Öffnungszeit mehr nach den Bedürfnissen jener ausgerichtet werden kann, die der Kassa das Geld bringen, wovon dann wieder Gehälter, Gewerkschaftsbeiträge, Steuern, Gewinne und sonstige Kosten berappt werden.

Besonders verwundert hat auch das Argument: Verlängerte oder veränderte Ladenschlußzeiten würden ja ohnehin den Konsum nicht weiter steigern. Dieses eigenartige Argument läßt tief blicken. Es zeigt, wie auch von herzensguten Menschen die soziale Marktwirtschaft gründlich mißverstanden werden kann. Nicht alles, was an Richtlinien und Maximen unsere Wirtschaftsordnung umrahmt, dient dem stupiden alleinigen Wachstum. Die soziale Marktwirtschaft hat deswegen das für linke Theoretiker unbequeme Beiwort „sozial“, weil sie eben auf die Schuhnummern, die Kragenweite und vor allem die Bedürfnisse der einzelnen Menschen Rücksicht nimmt.

Das scheint Wissenschaftsministerin Hertha Firnberg auch gemeint zu haben. Es geht ihr um die Bedürfnisse der yon ihr vertretenen SPÖ-Frauen, die sich ihre Einkaufsgewohnheiten nicht länger diktieren lassen wollen. Ein einsichtsvollerer Ministerkellege im Handelsministerium sei ihr von Herzen vergönnt.

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