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Rollbalken zu

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Nicht viel mehr als eine dreiviertel Stunde bleibt den meisten Österreichern, wenn sie nach Büroschluß oder dem abendlichen Verlassen, ihrer Arbeitsstätte noch einige Einkäufe erledigen wollen. Denn die meisten Geschäfte sperren um 18 Uhr.

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Nicht viel mehr als eine dreiviertel Stunde bleibt den meisten Österreichern, wenn sie nach Büroschluß oder dem abendlichen Verlassen, ihrer Arbeitsstätte noch einige Einkäufe erledigen wollen. Denn die meisten Geschäfte sperren um 18 Uhr.

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Seit Jahren versucht man, eine Lösung zu finden, die den Konsumenten Schwierigkeiten erspart. — Aber das ist gar nicht so einfach, denn nicht nur der Gewerkscu \ftsbund als Schirmherr der rund 100.000 österreichischen Handelsangestellten hat bisher einer Verschiebung der Ladenschlußzeiten seine Zustimmung verweigert, auch im Handel selbst gibt es starken Widerstand gegen eine Ausdehnung oder Verschiebung der Offenhaltezeiten.

Betrachtet man die eine Seite, so muß man zunächst feststellen, daß bereits die Einführung der 42-Stun-den-Woche den Handel vor fast unlösbare Personalprobleme gestellt hat: Denn bei den durchschnittlichen Öffnungszeiten erreicht ein Handelsangestellter bereits jetzt zumeist mehr als 45 Stunden. Also mußten bereits bisher Überstunden bezahlt werden oder ein Turnusdienst eingeführt werden. Eine Verlängerung der Offenhaltungszeiten würde aber diese Schwierigkeiten noch erheblich vergrößern: Die meisten Geschäfte müßten auch weiterhin um spätestens acht Uhr öffnen, oft ohne Mittagspause geöffnet halten und dann womöglich erst um 20 Uhr oder sogar noch später schließen. Ein Zustand, der bei dem herrschenden Personalmangel fast unvorstellbar ist. Es müßte ein Turnusdienst eingeführt werden, der schon regelrechter Schichtarbeit gleichkäme. Aber auch die Händler haben ihre Vorbehalte: Abgesehen von den organisatorischen Fragen würden vor allem

Kleinhändler das Problem kaum meistern können. Sie haben zumeist neben den beschäftigten Familienangehörigen höchstens ein oder maximal zwei Angestellte und können derartige Verschiebungen oder Turnusdienste kaum einführen. Ginge man aber auf das von einem großen Teil der Kaufmannschaft favorisierte System der freien Öffnungszeiten über, so würde das ohne Zweifel die großen Betriebe in geradezu unüberbrückbare Vorteile setzen.

So gesehen scheint die Frage der Ladenschlußzeiten heute unlösbarer denn je — Gewerkschaft wie Handel scheinen zwar grundsätzlich zu Änderungen bereit zu sein, über die Art der Durchführung besteht aber tiefe Uneinigkeit. Das unter der Ministerschaft von Dr. Staribacher sehr konsumentenbewußt gewordene Handelsministerium will nun selbst in die Diskussion 'eingreifen. Es scheint, daß der Handelsminister, der ja selbst Gewerkschafter ist, die Brücke herstellen will, auf der eine für alle drei Seiten mögliche Einigung erzielt werden kann. Im Herbst soll sich zunächst ein Ausschuß des konsumentenpolitischen Beirats des Handelsministeriums mit den Ladenschlußzeiten befassen. Vorsitzende dieses Ausschusses werden der Bundesobmann der Sektion Handel in der Bundeswirtschaftskammer, Komm.-Rat Carl Schönbichler, und der Sekretär der Privatangestellten-Gewerkschaft, Abg. Otto Skritek, sein. Schönbichler, der sich immer schon für eine Lösung der Ladenschlußdiskussion eingesetzt hat, setzt große Hoffnung auf diesen Ausschuß: Er hofft nämlich, daß nun endlich einmal klargestellt werden könnte, ob die Konsumenten überhaupt an einer Änderung interessiert seien.

Ein Kompromiß zeichnet sich am Horizont zumindest für das Wochenende ab: Gewerkschaft wie auch jene

Händler, denen auf Grund der Personallage ein längeres Wochenende bisher nicht vergönnt gewesen ist, scheinen einem „Rollbalken zu“ bei gleichzeitiger Öffnung der Geschäfte am Freitag bis 20 Uhr durchaus nicht ablehnend gegenüberzustehen. Ob allerdings den Konsumenten nach der Sperre der Post auch noch die Sperre der Geschäfte am Samstag vormittag zuzumuten ist, bleibt mehr als fraglich.

Vorarlberg, das bereits eine neue und sehr umstrittene Ldenschlußre-gelung besitzt, will sich jedenfalls Klarheit verschaffen: In einer Volksbefragung im Herbst sollen die Konsumenten ihre Meinung äußern können. Auch in Oberösterreich will man auf diese Weise eine exakte Klärung des Käuferwillens erreichen — wann allerdings die längst überfällige gesamtösterreichische Lösung kommen wird, das steht in den Sternen.

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