6983148-1986_16_20.jpg
Digital In Arbeit

Fit oder Ness

Werbung
Werbung
Werbung

Ich weiß, daß Fremdwörter überhaupt nichts bedeuten. Oder nichts Neues. Sie sind dann nur ein fauler Ersatz für einen schon existierenden, ganz gewöhnlichen Begriff. Trotzdem reizt es mich immer wieder, Fremdwörter zu entziffern.

Das Wort Fitness zum Beispiel besteht aus „Fit“ und „Ness“. Der zweite Teil ist verhältnismäßig klar: entweder ist es das jiddische Wort für „Wunder“ oder die gängige Bezeichnung für einen Ersatz - wie ein „Nes-Kaffee“ (nur ein klein wenig anders geschrieben).

Im ersten Fall würde das bedeuten, daß man vom sogenannten Fitness-Training Wunder erwartet, oder aber auch, daß es ein Wunder wäre, wenn es zu etwas gut ist.

Im zweiten Fall würde das bedeuten, daß Fitness ein Ersatz — englisch „instant“ vom deutschen „anstatt“ — für eine vernünftige Tätigkeit ist.

Was aber heißt „Fit“? Ist es eine Abkürzung? Zum Beispiel für „Freizeit intensiv töten“?

Nein. Das Wörterbuch sagt, daß „fit“ aus dem Englischen kommt und so viel bedeutet wie „passend, angemessen, tauglich“ und im Deutschen vor allem in der Sportsprache benutzt wird.

Na ja, wenn jemand sportlich tauglich sein will und dafür passend und angemessen trainiert, dann soll er dafür meinetwegen auch ein Fremdwort verwenden.

Das englisch-deutsche Wörterbuch bringt jedoch noch viel mehr Auslegung des Wortes „fit“: „fit to eat“ bedeutet eßbar, „fit to wear“ tragbar. Ein Stück Fleisch ist also fit, wenn es gar, ein Käse, wenn er reif ist, ein Anzug dann, wenn er gut sitzt.

Warum sich nun Leute bemühen, ihr eigenes Fleisch gar machen zu wollen, ist mir gar unverständlich, es sei denn, sie wollen den Menschenfressern einen Gefallen tun.

Warum und wozu schinden sich aber andere Menschen mit dem Fitness-Training? Angeblich soll es auch für geistige Tätigkeit gut sein. Ich weiß nicht. Wenn ich mich ein, zwei Stündchen körperlich fit schinde, dann bin ich höchstens fit fürs Bett, und das auch nur zum Schlafen.

Und doch: Schachgroßmeister betreiben angeblich vor jedem großen Spiel Fitness-Training. Sie tun dies aber nicht, um besser Schach zu spielen. Erstens wollen sie auch als Sportler gelten. Zweitens: in jenen Stunden, in denen sie ihre Körper anstrengen, denken sie nicht an Schach — somit kommen sie dann auch nicht ganz so verrückt an das Spielbrett.

Aus ähnlichen Gründen betreiben wohl auch Manager, Ärzte und weiß Gott noch wer ihr Fitness-Training. Denn während des Trainings ist man für die Chefs und Ehepartner unerreichbar, man muß nicht an die Firma und an die Familie denken. Und man gewinnt das sportliche Image, das aus unerklärlichen Gründen für Leistungsfähigkeit als solche steht.

Wenn man von Fremdwörtern absieht - gegen ein bißchen Bewegung und körperliche Anstrengung ist ansonsten nichts einzuwenden. Ich selbst stehe oft .von der Schreibmaschine auf, laufe in die Küche und stemme eine Tasse Kaffee.

Man kann sich ja nicht dauernd nur mit vernünftiger Arbeit beschäftigen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung