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Frieden — unteilbar!

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Rund 5000 Menschen füllten am 4. Mai die unteren Ränge der Wiener Stadthalle bis auf den allerletzten Platz. Der vom Karl-Ren-ner-Institut veranstaltete Vortragsabend von Heinrich Boll und Lew Kopelew bewies aber nicht nur, welchen Widerhall das Thema Frieden (er war das gemeinsame Thema beider Referate) bei einem immer größeren Teil der Öffentlichkeit findet.

Auch die Menschen, die hören wollten, was ein deutscher Nobelpreisträger und ein von der Sowjetunion ausgebürgerter unbequemer Schriftsteller zu sagen haben, bekamen sehr viel mehr zu hören als leere Reden über die Sehnsucht nach Abrüstung.

Kopelew sprach über das Thema „Frieden zwischen Ost und West?” Boll über „Feindbild und Frieden”. Beide widerlegten den

Vorwurf der „Einäugigkeit”, der der Friedensbewegung, mehr oder weniger freundlich, oft gemacht wird.

Daß der Dissident Kopelew mit dem sowjetischen Regime hart ins Gericht gehen würde, war zu erwarten gewesen. In seinen Augen ist die Konkurrenz zweier imperialer Mächte „die große Gefahr für den Frieden in der Welt”, und das „Beispiel Polen die größte Hoffnung”.

Er zitierte Fridtjof Nansen als Beleg dafür, daß die Sowjetunion die imperialistische Tradition der Zaren ungebrochen fortführt. Nansen hatte ausgerechnet, daß sich das Zarenreich von 1500 bis 1900 alle neun Jahre um die Größe Norwegens ausgedehnt hatte. Seit der Revolution, so Kopelew, geht das noch viel schneller.

Aber auch Boll, eine Leitfigur der deutschen Friedensbewegung, setzte voraus, „daß die Hauptbrutstätte des Antikommu-nismus die Sowjetunion mit ihrer Innen- und Außenpolitik ist” und nannte sie eine Macht, „nach außen imperialistisch, nach innen feudalistisch”.

Seine Betrachtungen über die weltweit vorhandenen falschen Vorstellungen vom „anderen”, er lebe nahe oder fern, von Manipulation und Mißbrauch solcher Vorurteile, gipfelte in dem schrecklichen,wahren Satz: „Vielleicht täuschen wir uns immer noch, wenn wir .menschlich' mit .gut' gleichsetzen!”

Der Deutsche Boll wie der Ukrainer Kopelew nahm jeweils das „eigene” Lager ins Visier, Boll mit besonderer Schärfe die Sündenfälle des Westens und der Christen. Aber keiner sah auf dem anderen Auge schlecht.

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