7011932-1988_12_04.jpg
Digital In Arbeit

Gegenaktion „Luftballon“

Werbung
Werbung
Werbung

Freda Blau-Meissner, Klubob-frau der Grünen im Parlament, ist von der Harmlosigkeit überzeugt, Verteidigungsminister Robert Li-chal vom Gegenteil: Er hat gegen die Draken-Gegner, die in einem „Aktionshandbuch“ dazu anleiten, mit bunten Luftballons und selbstgebastelten Papierdrachen den Draken-An- oder Abflug zu sabotieren, Anzeige erstattet.

Kinderspielzeug gegen Abfangjäger: Das paßt gut zum arglosen Bild vom gewaltfreien Widerstand. Weshalb sich auch der grün-alternative Abgeordnete Andreas Wabl gegen „Horrormeldungen, die Abfangjäger-Gegner würden imAktionshandbuch zum Mord anleiten“ verwahrt.

Warum soll überhaupt etwas passieren? Denn wenn eine Demonstration angemeldet sei, folgert Blau-Meissner samtweich, habe die Exekutive dafür zu sorgen, „daß dort kein Draken herunterkommt“.

Die Demonstration wird im günstigen Fall gemeldet sein, aber das ist laut „Aktionshandbuch“ nicht Bedingung: „Sobald die Stationierung öffentlich bekannt wird, tritt der Aufruf in Kraft. Auch wenn es noch so kurzfristig sein sollte...“

Und es soll nicht bei einer einmaligen Aktion am ersten Samstag, 15 Uhr, nach Stationierung der Abfangjäger bleiben. „Wir bereiten Aktionen des direkten gewaltfreien Widerstandes gegen den Flugbetrieb der Draken in Österreich vor und sind entschlossen, diesen zu behindern, wenn nicht zu verhindern. Wir werden mit Luftballons und Drachen den Luftraum um den Stationierungsflughafen .sperren'.“

Diese „Luftraumsperre“ ist ge-neralstabsmäßig geplant und bis ins Detail umrissen, mit vagen Empfehlungen ebenso wie mit andeutungsweisen Warnungen: „Unbedingt sollte auch der Flughafen rechtzeitig - anonym (?) -vom geplanten Ballonaufstieg in Kenntnis gesetzt werden. Bei den Aktionen darf nicht vergessen werden: Sämtliche mögliche Flugplätze — mit Ausnahme von

Zeltweg - werden auch von zivilen Flugzeugen benutzt.“

Und wenn im Ubereifer darauf vergessen wird? Dann war keiner verantwortlich.

Diese „Luftraumsperre“ bezweckt jedenfalls, daß der Dra-ken-Anflug bei rund 215 Stundenkilometern und einem Gleitwinkel von etwa drei Grad nicht gleichmäßig erfolgen kann. Die Gefahr liegt auf der Hand: „Dieser Winkel ist aber gerade beim Draken sehr wichtig, da die Flugeigenschaften im Landeanflug sehr kritisch sind und jede Richtungsänderung ein schwieriges Flugmanöver darstellt“, wird den Aktionisten als Erfolgserlebnis suggeriert. Und wenn das Ziel, den Flugbetrieb lahmzulegen, nicht erreicht wird, hat man - im Fall des Falles - die Katastrophe nicht gewollt: „Es geht keinesfalls darum, einen Absturz eines Fliegers zu provozieren!“

Wabl hat recht: Anleitung zum Mord ist das nicht. Aber fahrlässige Tötung ist inkludiert. Damit

wird das politische Schlagwort vom „gewaltfreien Widerstand“ zum Etikettenschwindel.

Daran kommen die Aktionsstrategen nicht vorbei: Sie brechen mit dem Grundprinzip der Gewaltlosigkeit, wonach mit der Aktion die Verletzung oder Tötung von Menschen weder direkt noch indirekt verursacht werden darf. Gewaltlosigkeit erfordert den bewußten Verzicht auf Handlungen, die andere gefährden könnten.

Menschengefährdende Sabotageakte sind aber kriminell. Der Einwand, diese Sicht sei unzulässig und lediglich Lichals Versuch, die Anti-Abfangjäger-Ballonträger zu kriminalisieren, ist kurios. Dieses Verständnis stammt nämlich von Wolfgang Stock, Assistent am Institut für öffentliches Recht, Politikwissenschaft und Verwaltungslehre an der Universität Graz, und ist in dem von ihm herausgegebenen Buch „Ziviler Ungehorsam in Österreich“ (Bühlau, 1986) ausgeführt. Und Stock ist zufällig Rechtsberater der An-ti-Draken-Aktionisten.

Die wissen, was sie tun, wenn sie uninformierte Mitläufer Ballons und Drachen halten lassen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung