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Jeremia-Connectioh 1997

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Das Modell-Ereignis ist vor ungefähr 2500 Jahren passiert. Zwei Propheten, Jeremia und Chananja, sind in dramatischer Weise aneinandergeraten - und das in aller Öffentlichkeit. Ort der Handlung ist Jerusalem. Hier treffen sich die babylonischen Vasallen und proben den Aufstand gegen den König Nebukadnezar. Jeremia ist gegen diesen Aufstand, weil er eine Katastrophe für die Bevölkerung befürchtet. Er unterstreicht seine Argumente aber auch durch ein hap-pening: Mit einem Ochsenjoch auf dem Nacken geht er durch die Stadt.

Da tritt ihm Chananja, auch ein Prophet, entgegen. Schon lange will er diesen religiösen Miesmacher der königlichen Aufstandspolitik fertigmachen. Und da auch er happenings schätzt, reißt er dem Gegner das Joch von den Schultern und liefert gleich die religiöse Deutung dazu: So wird Gott das Joch der Feinde zerbrechen!

Zurück bleibt eine ratlose Menge. Wem sollen sie glauben, wem vertrauen. Es gilt, keine Zeit zu verlieren. Sie müssen sich sofort entscheiden. Die ganze Zukunft wird davon abhängen, was sie jetzt tun. Es gibt keine Garantien. Sie kommen nicht darum herum, das Bisiko einzugehen, sich für den falschen Propheten zu entscheiden. Fachleute stellen das Existenzproblem dar, dramatisieren es sogar - aber entscheiden müssen die Laien, die Ahnungslosen, aber auf jeden Fall potentiell Leidtragenden.

In früheren Zeiten war die Jere-mia-Connection eher selten, inzwischen gehört sie längst zum täglichen Fernsehritual. Kontrahenten politischer, wirtschaftlicher, wissenschaftlicher und religiöser Provenienz wollen durch ihre Diskussion eine Entscheidungshilfe geben und lassen erst recht Batlose zurück. Das ist die Götterdämmerung der Fachidioten. Und Krethi und Plethi empfinden eher einen Handlungsnotstand als einen Handlungsbedarf. Daß sie dabei wie in biblischen Zeiten eher auf Unglückspropheten hören, verwundert allerdings nur die, die schon wieder vergessen haben, wie schamlos und frech Experten die Leute in Hinblick auf Atomversuche und Atomkraftwerke belogen haben. Aber jetzt bei den Frauen und den Genen werden sie die Wahrheit sagen. Amen!

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