Die Sterndeuter machen sich bei mir schon am ersten Advent auf den Weg. Ich packe sie aus der Weihnachtskiste und stelle sie irgendwo in der Wohnung auf. Sie müssen früh los, denn sie haben einen weiten Weg vor sich, „aus dem Osten“, in der Nähe von Euphrat und Tigris über Jerusalem nach Betlehem. Etwa eintausend Kilometer durch unwegsames, teils gefährliches Gebiet. Sie stehen für den überaus riskanten Aufbruch ins Unbekannte.
In ihrer Heimat genießen die „Magier“ (Mt 2,1–12) großes Ansehen und ein gutes Auskommen. Als Seismographen der Veränderung deuten sie die Zeichen der Zeit und nutzen ihren politischen Einfluss. Aber je weiter sie die Grenzen der Heimat hinter sich lassen, desto weniger gilt ihr Ansehen. Kann man ihnen vertrauen? Vielleicht hat man es mit Scharlatanen zu tun? Die Angesehenen werden zu Fremden in fremdem Land, Dahergelaufene, für die niemand bürgt. Das bringt sie in Gefahr. Wenn die Häscher des Herodes sie umbringen, würde kein Hahn nach ihnen krähen.
Nach biblischer Erzählung sind die Magier keine Könige; die Dreizahl ist spätere Erfindung; und selbst ob es nur Männer waren, bleibt rein spekulativ. Aber eines ist klar: Sterndeuterinnen und Sterndeuter sind Menschen, die etwas riskieren. Die sich auf gefährliche Wege trauen. „Bind deinen Karren an einen Stern!“, soll Leonardo da Vinci empfohlen haben. Die Magier folgen dem Stern, der sie überrascht, neugierig macht und zum Aufbruch bewegt. Es läuft sich leichter, wenn man ein Ziel vor Augen hat, das leuchtet und anzieht.
Mit den Magiern lädt der Advent dazu ein, nach dem Stern zu fragen, der den eigenen Karren auf den riskanten Pfaden des Lebens zieht. Die Einladung gilt nicht nur Christ(inn)en. Schließlich erzählt die Bibel nichts davon, dass sich die Sterndeuter hätten taufen lassen.
Die Autorin ist katholische Vulnerabilitätsforscherin an der Universität Würzburg.