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Grüne Hemden

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Alle erfreulichen Entwicklun- . gen, von den Fortschritten der Medizin zu verbesserten Kom- munikationssystemen, breit zu kommentieren, würde von den ei- gentlichen Problemen ablenken. Unter diesen sind es zwei Phäno- mene, die mir die größten Sorgen bereiten.

Das eine ist die zunehmende Umweltproblematik, genauer: Die Kontamination der Biosphäre durch Zufuhr von naturfremden Stoffen und von (bislang) gebunde- ner Energie. Alle früheren Genera- tionen konnten sich erlauben, die Biosphäre als beliebig weit und beliebig belastbar anzusehen - spielten sich doch die menschlichen Aktivitäten innerhalb natürlicher Kreisläufe ab. Daher fällt es uns so schwer zu erkennen, daß bei Art und Ausmaß der heutigen Zivilisa- tion der Belastbarkeit der Biosphä- re Grenzen gesetzt sind; Treibhaus- effekt, Abnahme der stratosphäri- schen und gleichzeitige Zunahme der troposphärischen Ozonschicht, Waldsterben, Vergif tung der Ozea- ne, sind nur Symptome des Gesamt- Phänomens, daß die-endliche! - Biosphäre der zunehmenden Belastung durch naturfremde Substanzen nicht gewachsen ist.

Unserer Generation ist die Aufgabe gestellt, eine kopemi- kanische Wende, einen Para- digmenwechsel zu bewerkstel- ligen, von der bisherigen (aus- schließlich) versorgungsorien- tierten Wirtschaftsform zu ei- ner (primär) entsorgungs- und vorsorgeorientierten Wirt- schaftsform überzugehen, die gekennzeichnet ist durch ein Maximum an geschlossenen Kreisläufen und ein Minimum an Ausstoß von Schadstoffen, Müll und Energie. Ob unsere Problemerkenntnis, und die Umsetzung der Problemer- kenntnis in die Tat, mit der zunehmenden Problematik Schritt halten wird, ist sehr die Frage.

Das zweite Phänomen: In dem Maße, in dem unsere immer kom- plexer werdende Gegenwart immer weniger verstanden wird, steigt die Tendenz zur Flucht aus der Verant- wortung, zur Suche nach einer charismatischen Führerpersönlich- keit. Die eben abgehaltenen Natio- nalratswahlen geben einen Vorge- schmack: Nicht Sachprobleme ga- ben den Ausschlag, sondern es erwies sich jene Wahlwerbung als erfolgreich, die - ohne Sachaussa- gen! - auf die Glorifizierung von Identifikationsfiguren ausgerichtet war. Durch das allgegenwärtige Femsehen wird diese Entwicklung noch verstärkt.

Faßt man beide Phänomene zu- sammen, so wird - bei sich (viel- leicht eines nicht allzu fernen Ta- ges) rapide verschlechternder Umweltsituation - der Ruf nach dem starken Mann unüberhörbar sein. Wie ich schon einmal sagte: Die Kolonnen des Diktators von morgen werden nicht braune, son- dern grüne Hemden tragen.

Wir leben gern, und auch unsere Enkelkinder sollen im 21. Jahrhun- dert - noch gerne und in Freiheit leben können. All unser Trachten, all unsere Arbeit müßte daher dar- auf gerichtet sein, diese Entwick- lung nicht eintreten zu lassen.

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