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Grüner Jammer

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Grün ist die Farbe des Frühlings und der Hoffnung. Und auf Frühling konnten die Grünen in der Tat lange Zeit hoffen: auf den eigenen und den ihrer Lieblingsideen. In letzter Zeit ist die Farbe der grünen Hoffnung allerdings dunkler geworden. Von einigen temporären Aufhellungen abgesehen, nimmt sie mehr und mehr die Farbe der Mohren an. Die Mohren freilich, so will es das Sprichwort, müssen gehen, wenn sie ihre Schuldigkeit getan haben. Gilt das demnächst auch flächendeckend für die Grünen?

Haben sie ihre politische Schuldigkeit getan und müssen sie nunmehr wieder von der politischen Bühne abgehen, verlassen vom schnöden Wahlvolk, das die Überbringer schlechter Nachrichten nun mal nicht liebt.

Die Ideen der Grünen erwiesen sich politisch als „marktläufig" - die Medien hatten nicht unwesentlich zum „Markterfolg" beigetragen. Aber weil politische Ideen nun einmal nicht dem Gebrauchsmusterschutz unterliegen und in der Politik Urheberrechte nicht gesichert werden können, so wurden sie eben von den anderen übernommen. Hier galt schon immer der Grundsatz: „Was man nicht länger verhindern kann, muß man lauthals fordern!" Ündso erwarbensich

- ausnahmslos - alle demokratischen Parteien flugs ein grünes Wams und färbten ihre Programme ein wenig erdbraun, wasserblau und luftgrau

- zumindest an den Rändern. Wer's nicht glaubt, der muß

zur Strafe die neuesten Fassungen der Parteiprogramme auswendig lernen.

Jedermensch, dem es um die Sache zuerst und dann erst um die eigene Bedeutung geht, muß doch froh sein, wenn seine Ideen aufgegriffen und - wie auch immer reduziert -verwirklicht werden. So müßten die Grünen, unter denen sich ja viele Pädagogen befinden, eigentlich froh und stolz sein; sie haben einen der größten politischpädagogischen Erfolge unserer neueren Geschichte erzielt. Niemand, der heute noch eine „nicht-grüne" Position einzunehmen wagte, niemand, der nicht seine grüne Einstellung vor sich hertrüge wie ein Feldzeichen, kein Waschmittelhersteller, der nicht mit Umweltschonung würbe und kein Au-tohändler, der nicht versicherte, daß aus dem Auspuff seines Mobils Blumen herauswucherten.

Eigentlich müßten die Grünen froh und stolz sein, aber sie sind es nicht. Verzweifelt und zerknirscht stürzten sie sich beim kleinsten Mißerfolg in politische Richtungskämpfe. Und getrennt haben sie sich auch schon: In die Grünen, die auch weiterhin vor allem grün sein wollen, und in diejenigen, denen ohnedies schon immer die Farbe Rot besser zusagte. Eigentlich jammerschade!

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