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Härtere Haftbedingungen für die „Politischen”

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Erschütternde Einzelheiten über die seelische Folterung von politischen Häftlingen in DDR-Zuchthäusern dringen immer wieder an die Öffentlichkeit. Trotz der Proteste aus vorwiegend westlichen Kreisen, die seit Jahren auf die unmenschlichen Zustände aufmerksam machen, will das SED-Regime nunmehr den Psychoterror gegen die politischen Gefangenen in der DDR noch verstärken. Eine Expertenkommission hat Pläne ausgearbeitet, wonach der Strafvollzug für „Politische” in der DDR noch härter werden soll.

Jeder Kontakt zur Außenwelt soll während der Haftzeit unterbunden werden. Das heißt: Keine Verwandtenbesuche und kein Briefverkehr mehr. Auch ist vorgesehen, die „Politischen” immer nur dort zur Arbeit einzusetzen, wo sie körperlich überfordert werden. Vergünstigungen sollen abgeschafft werden. In den „Freistunden” will man den „Politischen” in Schulungskursen „sozialistisches Bewußtsein” einbläuen. Die Möglichkeit, innerhalb des Zuchthausbereiches Tabakwaren käuflich zu erwerben, soll nicht mehr gegeben werden.

Dieses neue System der Verschärfung äller Haftbedingungen für politische Gefangene soll zunächst in vier Zuchthäusern ausprobiert werden und zwar in den Haftanstalten Bützo w, Cottbus, Eisenach und Magdeburg. Angehörige des Ministeriums für Staatssicherheit sollen bei der Anwendung der neuen Haftbedingungen in den genannten Zuchthäusern das Verhalten der politischen Gefangenen studieren. Diese SSD-Angehörigen werden jetzt schon in einem besonderen Lehrgang entsprechend geschult und auf ihre künftige Tätigkeit vorbereitet.

Die neuen verschärften Haftbedingungen sollen nur bei jenen politischen Gefangenen Anwendung finden, die nicht für einen Verkauf an die Bundesrepublik vorgesehen sind. Bekanntlich verkauft das SED-Regime der Bundesrepublik von Zeit zu Zeit Häftlinge zum Pro-Kopfreis von DM 40.000,-. Bürger der Bundesrepublik, die wegen irgendwelcher „Vergehen” von DDR-Gerichten verurteilt worden sind und ihre Strafe in DDR-Haftan- stalten verbüßen, sollen ebenfalls nicht unter die geplanten verschärften Haftbedingungen fallen, vielmehr künftig in besonderen Strafvollzugsanstalten untergebracht werden.

Nach den vorliegenden Plänen will die DDR überdies ihre Strafvollzugseinrichtungen, die größtenteils den heutigen Anforderungen nicht mehr gerecht werden, nach und nach erweitern oder erneuern. In Ost-Berliner politischen Kreisen wird in diesem Zusammenhang betont, daß die teilweise schon eingeleiteten Maßnahmen für die Erfüllung der dem Organ Strafvollzug übertragenen neuen Aufgaben von großer Bedeutung seien. Im Ost-Berliner Ministerium für Justiz vertritt man die Ansicht, daß die Modernisierung der Strafvollzugseinrichtungen und die erziehungswirksame Gestaltung des Vollzugsprozesses eine zwingende Notwendigkeit sei. Die Haftanstalten müßten so rekonstruiert werden, daß die Durchführung eines „sozialistischen Strafvollzugs” gewährleistet werden könne”.

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