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,Heiße Kartoffel'

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Zwar hat sich nun auch (die zweite Kammer des Parlamentes der Eidgenossenschaft recht deutlich für die Rahmenbewilligung für ein weiteres Kernkraftwerk in Kaiseraugst vor den Toren der Stadt Basel ausgesprochen und damit grünes Licht für das Projekt gegeben. Da der Widerstand in der betroffenen Region aber ungebrochen ist, weiß nach wie vor niemand zu sagen, ob es nicht doch zu Verzichtverhandlungen kommt oder das KKW an einem anderen Standort gebaut wird.

Die Kaiseraugst AG, zu zwei Dritteln sich in Schweizer Händen befindliche Bauherrin, hat nun nach der Uberwindung der letzten Hürde im langwierigen Bewilligungsprozedere an sich den Segen der zuständigen Instanzen erhalten, das Projekt zur Baureife voranzutreiben.

Zuletzt hatte Ende März der Nationalrat nach 13stündiger Debatte ohne neue Argumente befunden, daß der vom Atomgesetz geforderte Bedarfsnachweis für ein sechstes Schweizer Kernkraftwerk in den neunziger Jahren erbracht sei. Derzeit werden bereits gegen 40 Prozent des Elektrizitätsverbrauches durch KKW gedeckt.

Doch die Diskussionen sind damit keineswegs vom Tisch. Die Gegner sind entschlossen, ihren Widerstand gegen ein Kernkraftwerk in der nordwestlichen Ecke der Schweiz weiterzuführen. Sie haben das in einer Großdemonstration nach dem Entscheid des

Nationalrates eindrücklich bekräftigt.

Andererseits gehört es zum traditionellen Demokratieempfinden und stellt ein Gebot der Rechtsstaatlichkeit dar, daß Mehrheitsentscheide akzeptiert werden. Auch das Schweizer Volk hat — zwar nicht direkt über Kaiseraugst, aber mit einem zweifachen Nein zu Initiativen mit dem Ziel der Einschränkung der Kernenergie — mehrheitlich eine positive Stellungnahme zur Atomenergie abgeben.

In der betroffenen Region allerdings steht man fast wie ein Mann hinter der Opposition gegen das Projekt. Nicht verwunderlich ist es deshalb, wenn auch jetzt niemand die „heiße Kartoffel” des KKW so recht in die Hand nehmen will. Vertreter der Landesregierung sprechen immer wieder davon, daß Kaiseraugst nun verwirklicht werden könne, erklären aber andererseits grundsätzlich die Bereitschaft zu Verzichtverhandlungen, wobei die Initiative nicht vom Bundesrat kommen dürfe.

Vertreter der Elektrizitätswirtschaft sprechen andererseits von „Volldampf” bei der Verwirklichung des Projektes, spielen aber ebenfalls auf einen Verzicht an. Nur müsse der Anstoß von der politischen Seite kommen.

Das Verwirr- und Versteckspiel wird noch größer, wenn nun immer neue Alternativen zum Ausbau bereits bestehender KKW-Anlagen oder weitere potentielle Standorte herumgeboten werden — was natürlich wieder einen Aufschrei in den dann betroffenen Regionen zur Folge hat. Jedenfalls glaubt in der Schweiz niemand so recht, daß das KKW Kaiseraugst 1994 steht.

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