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Idealbild

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(Burgtheater, Wien; „Nathan der Weise“ von Gotthold Ephraim Lessing) Wären wir fähig, auf das Mißverhältnis zwischen den positiven Möglichkeiten des Menschen, die uns Lessing vor Augen stellt, und der Realität 40 Jahre nach Auschwitz angemessen zu reagieren, müßte es uns unmöglich sein, den „Nathan“ auszuhalten — und die zu bleiben, die wir sind. „Nathan“ muß immer wieder gespielt werden, denn das Idealbild der Menschlichkeit darf nicht in Vergessenheit geraten, soll die Welt nicht noch schrecklicher werden.

Aber weil „Nathan“ eine Idealgestalt ist, tut sich ein dem Wechsel der Interpretationen verschriebenes Theater mit ihm etwas schwer. Claus Peymann zog sich 1980 in Bochum mit dieser Inszenierung mit Anstand und für den Zuschauer vorwiegend erfreulichem Ergebnis aus der Affäre.

Traugott Buhre ist ein Nathan, der sich fürchten, berechnend sein, auch aufbrausen kann, und daß er den Kaftan trägt und zuletzt Außenseiter bleibt, gibt der Inszenierung den aktuellen Akzent, ohne die Botschaft zu relativieren. Wien-Heimkehrer Karl Menrad löst die Widersprüche des Tempelherrn in selbstbezogener Launenhaftigkeit auf, Gert Voss ist ein ziemlich komischer, vor allem aber lernfähiger Sala-din. Die Inszenierung ist witzig, nicht frei von einigen Mätzchen und ziemlich lang.

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