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Im Exil gestorben

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Der russische Filmregisseur Andrej Tarkowskij ist am 29. Dezember 1986 im Alter von 54 Jahren in Paris an Lungenkrebs gestorben. Als er 1985 im schwedischen Exil „Das Opfer“ realisierte, wußten seine Freunde und auch er selbst, wie es um seinen Gesundheitszustand bestellt war. In diesem Film — es war nach „No-stalghia“ (1983) der zweite Film, den er fern der Heimat drehte — gibt ein Mann sein Leben als Opfer hin, um seinen Mitmenschen eine Richtungsänderung aufzuzeigen, die den drohenden Weltuntergang abwenden soll.

Tarkowskij, .der schmerzlich darunter litt, im Exil leben zu müssen, sagte einmal während seines Aufenthaltes in Italien, daß nicht er das Exil gewählt habe, verständnislose Behörden und Kulturpolitiker hätten ihm keine andere Wahl gelassen. Im Ausland trauerte Tarkowskij „allem Russischen nach, vor allem der religiösen Dimension, der man im Westen nicht mehr begegnet“.

Für ihn muß dieses Fehlen der religiösen Dimension eine bittere Erfahrung gewesen sein: „Ich bin als Ebenbild Gottes geschaffen und trage nach dem Abbild Gottes die schöpferische Kraft in mir. Der künstlerischen Schöpfung wohnt ein heiliges Element inne, das selbst ein Verlangen nach Wahrheit beinhaltet.“

Geboren wurde Andrej Tarkowskij 1932 als Sohn des Lyrikers Arsenij Tarkowskij, dessen

Verse in „Stalker“ (1979) wie auch in „Nostalghia“ zitiert werden. Von 1954 bis 1960 besuchte Tarkowskij die Filmhochschule in Moskau. Für seinen Film „Iwans Kindheit“ erhielt er bei den Filmfestspielen in Venedig 1962 den Goldenen Löwen. Mit „Andrej Rubljow“ (1966-1969) schildert Tarkowskij das Leben des mittelalterlichen russischen Ikonenmalers, der inmitten und aufgrund von Kriegswirren über das Schicksal seines Volkes, des Menschen und des Künstlers nachsinnt.

In „Solaris“ (1972) - nach dem gleichnamigen Roman des Polen Stanislaw Lern — müssen sich die Menschen mit sich selbst und ihrer Vergangenheit auseinandersetzen; sie sind dieser Auseinandersetzung nicht gewachsen. Der zwei Jahre später entstandene Film „Der Spiegel“ gelangte nur sehr schwer in den Westen, weil die sowjetischen Behörden Tarkowskij s Erzähl weise mißbilligten.

In dem 1985 erschienenen Buch „Die versiegelte Zeit“ schreibt Tarkowskij: „Niemand hat den Wunsch und den Mut zu einem nüchternen Blick auf sich selbst, zur Verantwortung gegenüber dem eigenen Leben und der eigenen Seele.“ Es bleibt zu hoffen, daß die Filme Tarkowskijs uns zu ein wenig mehr „Mut zu einem nüchternen Blick“ verhelfen.

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