In der letzten Zeit erscheinen in Slowenien einige literarische Werke, die sich auf neue Art mit der „Halbvergangenheit" des Landes beschäftigen. So auch der Roman „Nordl icht", den der bekannte slowenische Schriftsteller und Präsident des slowenischen P.E.N.-Zen-trumsDrago Jancar im Original 1984 veröffentlichte und der nun von Peter Wieser übersetzt wurde.
Jancar schildert effektvoll seine Gebuitsstadt Maribor (Marburg) an der Drau im Jahre 1938, am Vorabend des Zweiten Weltkrieges. Das Nordlicht (slowenisch Severni sij), das am damaligen 25. Jänner ganz Mitteleuropa erregte, versinnbildlicht zugleich die nahende Weltkatastrophe. Am Schicksal seines Protagonisten Josef Erdmann, der auf einer Dienstreise nach Maribor kommt und sich hier selbstzerstörerisch in die Frau eines anderen verliebt, die später auf mysteriöse Weise ermordert wird, zeichnet Jancar das Panorama der Marburger Gesellschaft mit den nationalen Spannungen zwischen den dort ansässigen Deutschen und Slowenen.
Jancar macht mit diesem Werk, das mit seiner unheimlichen Atmosphäre aus Irrlicht, Dunkelheit, Mystik, Revolution und Nationalismus an die Werke der Russen Pilnjak oder Belyi erinnert, die Vernichtung des natürlichen Laufes der Dinge, die Ohnmacht des Einzelmenschen angesichts bedrohlicher geschichtlicher Ereignisse, sichtbar und lebendig.
NORDLICHT. Von Drago Jancar. Aus dem Slowenischen von Peter Wieser. Wieser Verlag, Klagenfurt/Salzburg 1990.240 Seiten, öS 250,-.