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Johann Kiefer

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Wer vor dem Krieg in Österreich gewesen ist, muß von Generahna-jor Johann Kiefer gehört haben. Kiefer war ja berühmt: als der gütigste, der höflichste Offizier der Armee; wohlerzogen, edelherzig -gütig in jeder Faser, höflich von Blut, Seele imd Natur

Und als dieser prachtvolle, grundgütige Generalmajor Johann Kiefer eines Tages hörte, daß bei einem seiner Regimenter - dort unten in der Topola, Südsteiermark - ein Fall vonMannschaftsmißhandlung vorgekommen wäre (ein Husar hatte eine Ohrfeige abgekriegt) -, da ließ sich’s Generalmajor Johann Kiefer nicht verdrießen, setzte sich sofort auf die Eisenbahn und fuhr schnurstracks nach Topola; versammelte die Offiziere des Regiments um sich

- den Obersten und die Rittmeister

- und sagte - höflich, wie er von Charakter war:

“Meine Herren! Wir leben im Jahrhundert des Kindes. Ich wünsche, daß Sie meine Husaren wie Kinder behandeln“.

Das Hebenswürdige Benehmen des Herrn Generalmajors machte den Rittmeistern Mut. Einer von ihnen - eben jener, der in die Ohr-feigengeschichte verwickelt war -trat vor und sagte:

“Herr General, ich melde gehorsamst, wir beziehen unsere Maim-schaft aus den fernsten Wäldern Siebenbürgens. Es sind wahre Bären. Wenn ich so’n Kerl einsperre, legt er sich mir im Arrest auf die Pritsche und pfeift sich eins und ist froh, daß er kein Pferd putzen muß. Da bleibt dem Unterabteilungs-Kommandanten wirklich nichts übrig, Herr Generalmajor, als mal den Handschuh auszuziehen und den Kerl - ohne BrutaHtät, Herr General - aber doch mit einiger Energie auf den rechten Weg zurückzuführen“.

“Nein, Herr Rittmeister, nein und abermals nein. Auch im schlechtesten Schurken steckt ein guter Kern

- und nur, indem Sie die Leute im Ehrenpunkt packen, können Sie brave Soldaten aus ihnen erziehen.

- Herr Rittmeister! Bitte, bringen Sie mir den Mann.

“Herr Generalmajor, ich melde gehorsamst, es ist ein ganz dreckiger Zigeuner, ich schäme mich geradezu, ihn vorzuführen“.

Man brachte den Zigeuner. Nun, der Rittmeister hatte nicht gelogen.

Der Generalb^rüßteihnmit Geigentönen:

“Nur näher, mein Sohn - du brauchst dich gar nicht vor mir zu fürchten. Weißt du auch, wer ich bin, mein lieber Junge?“

“Der Di…, der Herr Di…, der gnädige Herr Divi…“

“Ganz recht, mein Liebling: der Divisionär. Und du - nicht wahr? -bist ein Zigeuner Oh, schäm dich dessen nicht - es ist etwas Schönes um das freie Leben im luftigen Zelt, unter dem Himmelsdach. Weiß Gott, wenn ich nicht Generalmajor wäre…Aber lassen wir das! Sag , mein Kleiner: wie heiße ich?“

Der Husar schmetternd - man hatte es ihm in hundert In^truk-tionsstimden tausendmal eingebüffelt:

“Exlex Feldschalleitnant Em-mich Plön“.

“Du irrst. Bester! Exzellenz Feld-marschalleutnant Emmerich von Plöhn war früher dein Divisionär. Jetzt bin ich es. Ich, Johann Kiefer Begreift du? - Wie heißt also dein gegenwärtiger Divisionär??“

“Exlex Feldschalleitnant Em-mich Plöhn“.

“Nicht doch, mein Junge! Hör mich in Ruhe an: Exzellenz von Plöhn war mein Vorgänger Er ist nach vierzigjähriger, stets belobter Dienstzeitleider allzufrüh verschieden. Da haben Seine Majestät al-lergnädigst mich zu seinemNachfolgerzuemennengeruht. Undhier steheich. Ich, Generalmajor Johann Kiefer, bin dein Divisionär - Nun, mein Mäuschen - wie heißt also dein Divisionär?“

“Exlex Feldschalleitnant Em-mich Plöhn“.

“Ja, Zigeuner, glaubst du mir am Ende nicht? Der Herr Oberst, die Herren Rittmeister - alle werden dir bestätigen: Exzellenz von Plöhn ist tot. Und an seiner Stelle bin ich da: ich, Generalmajor Jo-hann Kie-f er, bin dein gegenwärtiger Divisionär - Nochmals also: Wie heißt dein gegenwärtiger Divisionär?“

“Exlex Feldschalleitnant Em-mich Plöhn“.

Der General wischte sich den Schweiß von der Stirn.

“Fangen wir anders an: Husar! Hast du einen Vater ?“

“Nein“.

“Du Ärmster!“ Doch du hast einen Vater gehabt“. “Nein“.

Der General - um einen Ton lauten

“Blödsinn - selbstverständlich hast du einen Vater gehabt, du Trottel. Und er ist jetzt tot. An seiner Stelle bist du da. Nun, und ebenso ist es bei mir: Exzellenz von Plöhn ist tot - und statt seiner bin jetzt ich, Generalmajor Johann Kiefer, dein Divisionär Siehst du mich? Hier stehe ich vor dir, ich, Johann Kiefer.-Wie heiße ich?“

Exlex Feldschalleitnant Emmich Plöhn“.

“Duu!“ ruft der General drohend. Paß auf, sag ich dir!“ - Zu den Rtit-meistem (die sich nicht einmal gemuckt haben): “Ichbitte mir Ruhe aus - ich werde es schon noch aus ihm herausgringen. - Aber ich will mich nicht aii&egen…Fangen wir mal ganz anders an. - Du bist Husar

- wie? Schön, mein Kind, ich bin auch Husar… Laß den Rang beiseite

- wir sind Kameraden - Husar und Husar. Wir sehen einander zum er-stenmal. Wir begegnen einander in der Kaserne - Husar und Husar. Nun möchte ich gerne deinen Namen wissen - und du meinen Namen. Gib acht! Grüß Gott, Kamerad! Wie heißt denn du, mein lieber Zigeuner?“

“Johann Kiefer“.

Da aber -da holte der General aus und langte dem Zigeuner eine übern Löffel. Und holte nochmals aus und drosch ihm eine links. Er hätte ihm vielleicht noch eine dritte hineingehauen - doch der Rittmeister von Topola sprang dazwischen und sagte:

“Herr General, Verzeihung: der Mann heißt wirklich Johann Kiefer - da ist nichts zu wollen“.

In diesem Jahr ließ sich der

Divisionär bei den Siebzehnerhusaren nicht mehr blicken.

Aus: DAS OROSSZ RODA RODA BUCH. Paul Znliuy Vedag Wien. Wiuv.DaiiiicUdt 1988. 532 Seitn,geb.,6S278..

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