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Kafkas Affe auf der Bühne

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In mehreren Studio-Aufführungen, über den Jänner verteilt, bringt das Klagenfurter Stadttheater Franz Kafkas „Ein Bericht für eine Akademie?”, der, selten gespielt oder vorgetragen, vor einigen Tagen Premiere hatte.

Ein inhaltlich absurder Text, der nach dem Tod des Dichters in ein Einmann-Drama verwandelt wurde und die Fragwürdigkeit menschlichen Fortschritts und menschlichen Selbstbewußtseins überhaupt am Beispiel eines Affen klarlegt, der sich mit unvorstellbarer Anstrengung zur „Durchschnittsbildung eines Europäers” durchgearbeitet hat. Auf merkwürdige Weise begabt, erkennt er die Fragwürdigkeit auch absoluter Freiheit, die den Menschen doch wieder in Zwänge und Unsicherheiten geraten läßt. Er strebt sie daher nicht an, sondern begnügt sich mit dem Suchen nach einem Ausweg aus dem Käfigdasein, ohne in den Strudel von Selbstverstrickung und in den Pendelschlag zwischen Furcht und Hoffnung zu geraten. Dieser Verzicht ist echt kafka- esk und gibt existenzialistisch die Unsicherheit menschlichen Daseins wieder. Daß dieser Ausblick auf Unsicherheit den „hohen Herren von der Akademie” nur bescheiden als bloßer Bericht über den Weg vom Affen zum Menschentum, ohne ein Urteil auszusprechen, hingestellt wird, hebt die „Predigt” Kafkas nicht auf.

Aus diesem Stoff ein Stück, das steht und fällt mit Darsteller und Regisseur. Es galt, die Voraussetzung „äffischen Vorlebens” glaubhaft zu machen, wie auch ein Stück des Weges ins Menschentum hinein. Der Schauspieler Georg Marin, Augsburg, und sein Regisseur Joachim Biesewig haben ge meinsam mit dem Maskenbildner Herbert Reiher dieses Stück erarbeitet. Marin gelang seine „Affigkeit”, von Kafkas philosophischer Aussage unterstrichen, ganz ausgezeichnet. Er blieb, bereits Mensch mit der „Durchschnittsbildung eines Europäers”, immer irgendwie Affe, der mit hin und her schwingendem Bauch „denkt”, Kopf und Arme wiegt, sich mit Affengeschick auf Sessel und Pult schwingt, äffig räkelt und ausruht oder sich die Brust klopft, seine Verzweiflung hinausschreiend, dann wieder tierhaft melancholisch döst. Marin machte aus dem Bericht eine faszinierende Handlung. Eine große Leistung eines Talents, das seine Wandlungsfähigkeit auch in anderen Rollen zum Bühnenerlebnis zu machen verspricht.

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