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Kann Babylon Heimat sein?

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Die wirklichkeitsnahe, sachkundige, engagierte und doch niemals aufgeregte Darstellung des Ausländerproblems am Beispiel Deutschland verdient besondere Beachtung: Daniel Cohn-Bendit und Thomas Schmid analysieren das „Wagnis der multikulturellen Gesellschaft” anhand konkreter Zahlen, wertvoller Quellen, historischer Fakten und eindrucksvoller Beispiele aus dem täglichen Leben. Dabei kommen den Autoren jene Erfahrungen zugute, die sie im Frankfurter Amt für multikulturelle Angelegenheiten gemacht haben. Man kann dem aus der französischen und deutschen Studentenrevolte kommenden Cohn-Bendit die Fähigkeit nicht absprechen, aus Fehlern zu lernen.

Sicherlich - auch in diesem Buch werden Probleme verkürzt dargestellt, etwa wenn der Doppelstaatsbürgerschaft das Wort geredet wird, ohne sich mit den Gegenargumenten auseinanderzusetzen. Doch die wesentlichen Aussagen überzeugen: Deutschland (sicher auch Österreich und andere europäische Ländern) - ist ein Einwanderungsland. Die Frage ist nicht, ob wir Ausländer aufnehmen, sondern wie wir sie aufnehmen. Jede Einwanderungsgesellschaft ist unvermeidbarerweise eine Konfliktgesellschaft. Daraus ergeben sich Grenzen der Migration. Dagegen mit ideologischen Scheuklappen ankämpfen und Andersdenkende unter antifaschistische Quarantäne stellen zu wollen, bringt nichts. Die Ausländerangst muß ernst genommen werden, ob berechtigt oder nicht:, Jede Phobie ist, ganz einfach, weil es sie gibt, real.”

Es gilt, in einem mühsamen Erfahrungsprozeß zu erkennen, daß Heimat und Babylon keine unüberwind-baren Gegensätze- sind. Der Mensch braucht beides: Die Bindung an sein Zuhause und die fruchtbare Auseinandersetzung mit dem Fremden. Das führt schließlich zu der alles entscheidenden Kernfrage: Was können und dürfen sich Mehrheiten und Minderheiten gegenseitig zumuten? Das Buch gibt hier viele brauchbare Antworten.

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