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Kapitän statt Vater

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Nach der neuerlichen öffentlichen Zusicherung der Freiheitlichen Partei, daß ihre Abgeordneten im oberösterreichischen Landtag beim Abtritt des Landeshauptmannes Dr. Gleißner ihre Stimme für den Kandidaten der ÖVP abgeben werden, zweifelt niemand mehr daran, daß der Generationswechsel im Linzer Landhaus unmittelbar bevorsteht und der „ewige Kronprinz“, Dr. Erwin Wenzl, neuer Landesvater wird.

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Nach der neuerlichen öffentlichen Zusicherung der Freiheitlichen Partei, daß ihre Abgeordneten im oberösterreichischen Landtag beim Abtritt des Landeshauptmannes Dr. Gleißner ihre Stimme für den Kandidaten der ÖVP abgeben werden, zweifelt niemand mehr daran, daß der Generationswechsel im Linzer Landhaus unmittelbar bevorsteht und der „ewige Kronprinz“, Dr. Erwin Wenzl, neuer Landesvater wird.

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Wenzl hat — im Gegensatz zu Gleißner — wenig Väterliches an sich. War Gleißner — nicht zuletzt, weil er durch Jahrzehnte (mit Unterbrechung von 1938 bis 1945) des Lan des ob der Enns Geschicke lenkte — der typische Vertreter des patriarchalisch-gutmütigen Politikerschlages, so gleicht sein Nachfolgei eher dem Typ des Industriemanagers einer Großflrma. Der noch nichl einmal 50jährige, in Niederösterreich geborene Oberösterreicher wurde schon mit 31 Jahren Landesparteisekretär. Bauernbunddirektor und Landeshauptmannstellvertreter Felis Kem holte sich den jungen Juristen da die Volkspartei nach der Euphoriewelle unmittelbar nach der NS- Zeit an Haupt und Gliedern reformbedürftig war. Organisation, Finanzen und Pressewesen lagen im argen Wenzl baute mit Kem und Gleißnei die oberösterreichische Landesorganisation zu einem der bestorganisierten Apparate der österreichischer Volkspartei aus. (Ein zweites solche; Aufbauwerk hat er übrigens auch jetzt wieder in Angriff genommen als er das mehr schlecht als rech: vegetierende unabhängige „Linzei Volksblatt“ kurzerhand für die Partei übernahm, damit — die Tragödi« der Wiener ÖVP-Zeitung soll sich ir Oberösterreich nicht wiederholen —

die ÖVP keine schweigende Partei werde.) 1955 wurde Wenzl — damals 34 Jahre alt — in den Landtag gewählt. Just in der Wahlnacht starb sein politischer Vater, Landeshauptmannstellvertreter Kem, was dazu führte, daß der Jungabgeordnete sogleich auch Mitglied der Landesregierung und hier Referent für das Bau- und Straßenwesen wurde. Nun konnte er sein organisatorisches Talent gleich zweimal unter Beweis stellen: nach wie vor als Landesparteisekretär und außerdem als Landesregierungsmitglied. Elf Jahre später — also erst fünfundvierzigjährig — war er bereits dienstältestes Regierungsmitglied und wurde Landeshauptmannstellvertreter.

Als Dr. Gleißner 1969 als Landesparteiobmann zurücktrat, war es selbstverständlich, daß niemand anderer als Wenzl nun die Führung der Partei übernahm. Vielleicht liegt es auch daran, daß Wenzl nie ein hündischer Exponent war. Viele Oberösterreicher wissen gar nicht, ob dieser Mann eigentlich zum Bauernbund, zum ÖAAB oder nicht gar zum Wiirtschaftsbund gehört.

Jede Zeit braucht die ihr eigenen Männer. Es wäre daher ungerecht, Gleißner mit Wenzl und Wenzl mit Gleißner zu vergleichen. Oberösterreich verliert mit Gleißner einen Vater, doch Oberösterreich gewinnt mit Wenzl einen Kapitän.

Und niemand kann behaupten, daß Volkspartei und Staat derzeit auf ruhiger See schwimmen.

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