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Kardinal Giovanni Benelli

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Kaum eine Kardinalskreierung während des ganzen bisherigen Pontifikats Papst Pauls VI. hat derartige Aufmerksamkeit erregt, wie jene des Subsituts im Staatssekretariat, Erzbischof Giovanni Benelli. Niemand freilich hat diese Ernennung für unmöglich gehalten, und keiner bezweifelt die außerordentliche Würdigkeit des Ernannten; dennoch ruft die Ernennung Erstaunen hervor. Paul VI. trennt sich nämlich mit der Verleihung des Purpurs an Giovanni Benelli, die seiner Berufung auf den Stuhl des Erzbischofs von Florenz unmittelbar folgte, von seinem langjährigen engsten Mitarbeiter.

Giovanni Benelli wurde am 12. Mai 1921 in Poggiole di Vernio, in der Toskana, geboren. Nach Studien an der Gregoriana und an der Päpstlichen Diplomatenakademie in Rom trat der Lizentiat der Theologie und Doktor des Kirchenrechts Giovanni Benelli 1948, also noch unter Pius XII., in das vatikanische Staatssekretariat ein, wo er bald Sekretär des damaligen Substituten Monsignore Montini, des heutigen Papstes, wurde. Nach 1950 führte ihn die übliche Nuntiaturlaufbahn nach Dublin, Paris, Rio de Janeiro, Madrid; 1965 wurde er ständiger Beobachter des Heiligen Stuhls bei der UNESCO in Paris, und nach seiner Ernennung zum Titularerzbischof von Tusuro wurde er Pro-Nuntius in Dakar (1966); doch schon im folgenden Jahr, nämlich am 30. Juni 1967, berief ihn Papst Paul VI. zum Nachfolger dell’Acquas und somit zum Substituten im Staatssekretariat. In dieser Funktion war Giovanni Benelli die Hand, mit der Paul VI. im letzten Jahrzehnt die Kirche regierte.

Es gibt kaum eine Entscheidung in der Kirche und kaum einen Schritt in ihrer Außenpolitik, an dem Benelli nicht beteiligt gewesen wäre. Vom frühen Morgen bis Mitternacht konnte jeder innerhalb und außerhalb des Vatikans, konnte man in jedem Erdteil damit rechnen, daß sich Benelli mit ihm telephonisch in Verbindung setzte.

Die überragende Stellung Giovanni Benellis war nicht allein in seiner Funktion, sondern auch in seiner Persönlichkeit begründet, in der sich umfassende Sachkenntnis und politisches Wissen in einer Weise vereinen, die ihn als Priester und Staatsmann für hohe und höchste Ämter in der kirchlichen Hierarchie befähigt. Seine Entscheidungen sind vom unbeugsamen gestalterischen Willen einer starken Persönlichkeit geprägt, die entsprechend ihrer Überzeugung vorgeht; dabei ist Benelli ein im Grunde gütiger, frommer und zutiefst barmherziger Mensch, der seine diplomatischen und staatsmännischen Fähigkeiten in den Dienst der Seelsorge der Weltkirche stellt. Jeder, der mit ihm zu tun hatte, seien es die Diplomaten, die er zweimal wöchentlich empfing, seien es die Einzelbesucher, konnte sich von seinem Pflichtgefühl und seiner unprätentiösen Ehrlichkeit überzeugen. In seinem Wollen war er konsequent, in seinem Handeln schnell.

In der Öffentlichkeit ist Giovanni Benelli, mit Ausnahme von Veranstaltungen im Vatikan, fast nicht in Erscheinung getreten; an Publicity war ihm nie gelegen; um so mehr beeindruckte er, wenn er kam, so 1976 zum Eucharistischen Kongreß nach Philadelphia und im Jänner 1977 zur Eröffnung des neuen Europagebäudes nach Straßburg.

Nach Wien kam Giovanni Benelli bisher einmal, nämlich am 4. Mai 1976 zu einem grundsätzlichen Vortrag vor der österreichischen Gesellschaft für Außenpolitik. Dabei ist es ehrend und bemerkenswert, daß Benelli sich gerade Wien als den internationalen Schnittpunkt der Ideologien und Treffpunkt der Völker aussuchte, um Grundlegendes und Wegweisendes über ein Hauptanliegen unserer Zeit zu sagen: Er sprach über „Die Kirche und der Dialog mit der Welt“*; es kann angenommen werden, daß Giovanni Benelli selbst noch viel zur Erfüllung dieser Aufgabe beitragen wird.

* In deutscher Übersetzung von Univ.-Doz. Dr. Heribert Köck in: „Kirche und Staat“, Fritz Eckert zum 65. Geburtstag, herausgegeben von Herbert Schambeck, Berlin 1976, S. XI-XXXI.

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