Der stille Luxus

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Über Mode und ihre "Übersetzungsaufgabe".

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Über Mode und ihre "Übersetzungsaufgabe".

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Kurz einmal weg von den Kriegen, zu den unnützen Dingen: Mode. Eine hochkomplexe Sache. Früher einmal waren es die Farben, die Saisonen, die Vorbilder. Mittlerweile geht fast alles. Aber nur fast. Wie sendet man die richtigen Signale ästhetisch-monetärer Superiorität in der Alles-geht-Szene?

Jenseits der seinerzeitigen Konformismen muss man in der individualistischen Gesellschaft durch körperliche Dekoration seine Besonderheit zum Ausdruck bringen. Das ist herausfordernd: Weiß man doch kaum, wie man sich selbst beschreiben soll – und dann kommt noch die „Übersetzungsaufgabe“ (in Form der textilen und kosmetischen Visualisierung) dazu. In der singularisierten Aufmerksamkeitsökonomie soll jeder einzigartig und doch anschlussfähig für die anderen sein. Da muss man ein bisschen auf die Pauke hauen, um wahrgenommen zu werden.

Ergebnis sind die Grauslichkeiten der unteren Promi-Ebenen. Dort herrscht dumpfe Grellheit, in jeder Hinsicht. Der neueste Trend ist freilich quiet luxury – ein Hinweis für Weihnachten. Der groß etikettierte Markenname wird proletenhaft, stattdessen zeigt man Einfachheit in bester Qualität. (Eigentlich war das immer so.) Für die vorgeführte Bescheidenheit (schlichter Pullover, aber erlesenes Kaschmir) muss man freilich oft unbescheidene Summen zahlen. Kleines Handtäschchen um ein paar Tausender. Die Stücke gehen dennoch gut über den Ladentisch. Das spricht für die zuverlässige Dummheit der luxuriösen Klasse, die man jenseits jeder Kostenwirklichkeit „ausnehmen“ kann.

Die reine Symbolik funktioniert. Unser Mitleid hält sich in Grenzen. Manche greifen ohnehin zur ununterscheidbaren Imitation für die Mittelschicht, wo dasselbe Produkt um den (realistischeren) Zehntelpreis offeriert wird. Der demonstrative Luxus muss wandern.

Der Autor ist Professor für Soziologie an der Universität Graz.

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