(Grazer Schauspielhaus, „Faust“, I. und II. Teil, von J. W. v. Goethe.) Das Wagnis ist geglückt: Kurt Josef Schildknechts ehrgeiziges Unternehmen, an zwei Abenden hintereinander beide Teile der Faust-Tragödie aufzuführen, fand ein zu Recht begeistertes Publikum.
Ein bißchen wird des Bildungsbürgers liebster Klassiker schon auf die Schippe genommen, allzu Hehres wird durch witzige Regieeinfälle relativiert. Die Erzengel sagen ihren Text mit bunten Glühbirnchen-Kronen auf dem Kopf auf, den Osterspaziergang verunzieren Spießbürger, die sich wie Marionetten bewegen, Faust (Manfred Lukas-Luderer) wird von einem Spielzeugpudel erschreckt und der ausgezeichnete Mephisto (Peter Uray) tut das Seine dazu, daß es bei Goethe auch was zu lachen gibt.
Gretchen wandelt sich von einer unschuldig-schuldigen Heldin in eine überdrehte, anklagende Wahnsinnige, die in ihrem Kerker aus Aluminiumleitern wie ein Raubtier hin- und herrutscht. Apropos Leitern: sie sind das Hauptmotiv des eher unkulinarischen, doch probaten Bühnenbildes von Hans Michael Heger.
Im 2. Teil darf der Bühnenbildner dann zeigen, was außer Leitern sonst noch in ihm steckt. Der überwältigende Mythologiewust, in dem sich selbst die Germanisten hoffnungslos verirren, wird zum verschwenderischen Augenschmaus, der immerhin viereinhalb Stunden dauert. Lukas-Luderer wirkt im zweiten Teil geschlossener, konzentrierter.
Mephisto bietet auch am zweiten Abend eine großartige Leistung. Der von kitschigen Engerln um Fausts Seele betrogene Teufel kann einem wirklich leid tun, noch dazu, wo Fausts Erlösung gar nicht so plausibel erscheint, hat dieser sich doch an seinem Meeresstrand als recht unsympathischer Grundstückshai und Umweltzerstörer erwiesen.
Einen Klassiker, den man zwar weniger verstanden, aber so bunt herausgeputzt gesehen hat, darf man getrost nach Hause tragen.