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Kleine Drogen

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Literatur beschreibt immer in irgendeiner Form das Leben: auf das Wie kommt es an. Das eigene Leben als Gegenstand von Reflexionen kann, wenn ein bedeutender Autor am Werk ist, ein in die Tiefe führendes Bild ergeben — wie in diesem Fall.

Der als Professor für Deutsche Philologie in Klagenfurt lehrende Alois Brandstetter schreibt über Situationen in seinem Leben, meditiert über seinen Vor-und Zunamen, berichtet über Lehrerfahrungen im Ausland und über die Rückkehr nach Österreich, erzählt von den Bäumen, die auf seinem Grundstück wachsen, und läßt aus scheinbaren Kleinigkeiten, ja Nichtigkeiten, fein gesponnene Erzählungen und Essays entstehen. Ihre Anziehungskraft ist groß; sie machen süchtig. Unvermittelt stehen Sätze vor einem, die mehr sind als richtig; sie sind wahr.

Zum Beispiel: „Am besten ist es, von den Lehrern nicht allzu viel zu erwarten, dann kann die Enttäuschung auch nicht allzu groß werden.“ Und der Lehrer soll auf Dankbarkeit in keinem Fall hoffen, denn er ist stets der Sündenbock. In diesem Zusammenhang gelingt es Brandstetter, verschiedene Autoren und dadurch unterschiedliche Zeiten ins Spiel zu bringen. Zitate von Martin Walser, Andreas Gryphius und das Schicksal von Seneca, der von seinem Schüler umgebracht wurde, illustrieren die Thesen. Brandstetters kurze Prosatexte erhellen menschliche Situationen. Wie gesagt: sie führen in die Tiefe.

KLEINE MENSCHENKUNDE. Von Alois Brandstetter. Residenz Verlag, Salzburg. Wien 1987. 184 Seiten, geb., öS 198,-.

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