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Kosmisch

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Für das abgesetzte Riedl-Stück „Silphium“ (der dazu unentbehrliche Starschlagzeuger Ranta ist augenblicklich unauffindbar in Laos) wurde „La-Sen-Nr. 2“ von Maki Ishii eingeschoben. Ishii wurde 1936 in Tokio geboren, studierte u. a. auch bei Blacher und Rufer in Berlin und zählt in Japan zu den unternehmungslustigsten Avantgardisten. „La-Sen“, der Begriffswelt des Buddhismus entnommen, hat die Bedeutung von „Spirale“, ist also als Bezeichnung für die Form dieses Cello-Stückes zu verstehen. Der wagemutige Cellist Werner Taube bearbeitete sein Instrument mit erstaunlicher manueller Geschicklichkeit, er zupfte, schlug, tastete, trommelte, zwitschert und tremolierte, nur war nicht recht einzusehen, warum das alles geschah, nichts konnte von der Notwendigkeit einer solchen Artikulation überzeugen.

Hat sich Ishii trotzdem noch etwas Spielerisches bewahrt, so kommt uns dagegen Stockhausen gleich kosmisch. „Mantra für zwei Pianisten“ nennt sich das Monstrum, von dem der Autor zu berichten weiß: „Natürlich ist die einheitliche Konstruktion von ,Mantra' eine musikalische Miniatur der einheitlichen Makro-Struktur des Kosmos, und sie ist eben eine Vergrößerung ins akustische Zeitfeld der einheitlichen Mikro-Struktur der harmonischen Schwingungen im Ton selber...“

Man muß in Deutschland nur recht hochtrabend formulieren können, dann ist schon viel gewonnen, wirklich bedeutende Komponisten sprachen allerdings über sich weniger erhaben. Man hatte sich bei „Mantra“ auf etwas Mediatives eingestellt, aber es gab entweder schrecklichen Krach, oder Passagen, die man als Hintergrundmusik für einen tibetanischen Heimatfllm verwenden könnte.

Es steht außer Zweifel, daß Alfons und Aloys Kontarsky eine pianistische Bravournummer ablieferten, die ihnen so schnell keiner nachmacht, aber es ist ja nicht damit getan, daß man den Klavierklang entstellt, indem man mit elektronischen Klang-umwandlern arbeitet — eine Verfremdung erreicht man auch, wenn man eine alte Zeitung zwischen die Saiten klemmt — es sollte doch etwas Neues, Interessantes dabei herauskommen! Von einer Integration ostasiatischer Elemente war nichts zu bemerken, es blieben die Ausführungen eines extravaganten, die künstlerische Freiheit strapazierenden Abenteurers.

Angesichts der vielen Plätze, die leer geblieben waren — eine Tatsache, die Münchens Musica viva bislang nicht kannte — wird sich Wolfgang Fortner die Gestaltung solcher Programme künftig überlegen müssen.

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