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Lachender Fünfter

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Daß Ministerpräsident Andreotti Giuseppe Medici mit der Leitung des Außenministeriums betraute geschah zur Überraschung der politischen Beobachter. Nach dem Verzicht des Christ demokratischen Links-exponenten Moro, sein eigener Nachfolger im Farnesina-Palast zu werden und sich mit seinesgleichen an die-r ser Zentrumsregierung zu beteiligen, standen vier prominente Politiker im Rennen um die Führung der italienischen Außenpolitik, nämlich die früheren Ministerpräsidenten Rumor und Colombo, der langjährige Minister und mehrmalige Fast-Regie-rungschef Taviani und sogar der ehemalige Staatspräsident und langjährige Außenminister Saragat. Daß Medici an Stelle Rumons, Colombos, Tavianis und Saragats als Außenminister eingesetzt wurde, deutet darauf hin, daß er als lachender Dritter oder — genauer gesagt — als lachender Fünfter aus diesem langwierigen Kampf hervorging, der Andreotti Annahme der Regierungsbildung um mehrere Tage verzögerte. Offensichtlich konnten sich die unter sich zerstrittenen christdemokratischen Parteiströmungen eher auf diesen Mann einigen, der mehr als die anderen Anwärter jenseits der Parteien und Parteiströmungen Haß und Gunst steht.

Trotz dieser Outsider-Stellung ist Medici alles andere denn ein unbeschriebenes Blatt der italienischen Politik. In den fünfziger und sechziger Jahren versah er hohe und höchste Posten als Staatssekretär und Minister im Landwirtschaftsund Erziehungsministerium, im Schatzkanzleramt und — einmal sogar — als Außenminister. Daß sich Andreotti jetzt auf ihn als Hausherrn im Farnesina-Palast besann, ist ein Programm für sich. Medici ist Wirtschaftsfachmann und Professor der Nationalökonomie seit 20 Jahren. Die italienische Wirtschaftskrise belastet immer mehr nicht nur Italien, sondern den ganzen Gemeinsamen Markt. Die Geduld der europäischen Bündnispartner hat ihre Grenzen, und Rom riskiert, wegen nicM eingehaltener Verpflichtungen von den übrigen EWG-Mitgliedern auf die Anklagebank verwiesen zu werden. In einer solch mißlichen Lage bedarf es im Außenministerium eines Mannes, der sich neben der Diplomatie auf Wirtschaftsführung im nationalen und internationalen Rahmen versteht. Mit seinem gelehrten Aussehen und seinem verlegenen Gebaren flößt Medici Vertäuen ein. Möge sein Name — „Medico“ heißt Arzt — ein gutes Omen für die Gesundung der allseitig schwer bedrängten italienischen Wirtschaft sein!

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