Sie kaufen kein einziges unserer Bücher, sie lesen keine einzige Rezension dieser Bücher, und sie kommen in keine einzige unserer Lesungen. Im Gegenteil — sie kosten uns eine Menge Geld, sie machen uns nichts als Scherereien, sie stehlen uns unsere Zeit, indem sie auf ellenlange Briefe ebenso ellenlange Gegenbriefe erwarten, und ihre Zahl nimmt von Mal zu Mal zu, weil sie, jedweden Datenschutz dreist unterlaufend, unsere einmal eruierte Anschrift unbekümmert an ihresgleichen weitergeben.
Das sollen meine liebsten Leser sein?
Ich meine jene Leser unserer Bücher, die es, streng nach dem Buchstaben, gar nicht geben dürfte und die es gottlob doch gibt: unsere Leser in den Ostblockstaaten. Die auf irgendeine, oft geheimnisvolle Weise in ihrem Rostock oder Magdeburg, ihrem Breslau, Lodz oder Pees von unserer Existenz und von unserem Tun erfahren: aus einem mühselig angehörten Radiobeitrag, aus einem zufällig aufgeschnappten Fernsehbericht, aus einem von gleichgestimmten Seelen ihnen zugespielten Zeitungsausschnitt.
Es ist nicht immer leicht (wenn auch in den letzten Jahren leichter geworden), ihnen zu Willen zu sein. Aber was, so frage ich, wiegen all die Unkosten, all die postalischen Tricks, die wir dafür aufwenden, daß unsere Bücher in ihren Besitz gelangen, gegen die Dankbarkeit und Freude der Adressaten! Sie — und das unterscheidet sie von vielen eifrigen Buchkäufern hierzulande — lesen wirklich, was wir geschrieben haben, machen sich wirklich Gedanken darüber und teilen uns diese Gedanken in ernsten, schönen Briefen mit, wie sie im übersättigten Westen schon lange kaum noch geschrieben werden — die mindere Papierqualität ihrer Briefe durch umso üppigere Frankierung des Umschlags, ihre Zahlungsunfähigkeit“ durch umso herzlichere Zuwendung aufs rührendste kompensierend.
Aus der Dankesrede des Autors anläßlich der Verleihung des Eichendorff-Literaturpreises 1987.
