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Merk's, Österreich!

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Fritz Muliar — der „klassische Sozialist“, wie ihn Hans Weigel nennt — hat nun als Kammerschauspieler seit 1985 die Rolle des Augustiner-Barfüßers Abraham a Santa Clara übernommen.

Endlich haben wir wieder jemanden, der die Moralpauke rührt, und zwar so gewaltig, daß auch die Glöckchen der Narrenkappe, die er sich weislich überstülpt, gar zierlich mitklingeln. Muliar versteht's, aus seiner Moralistenrolle eine so appetitliche Schaumrolle zu machen, daß die schlimmen Kinder Österreichs sie gewiß begierig verzehren werden.

Merk's, Wien, daß du mit deinem Husch und Pfusch die Steuern schnalzt! Merk's, du Arbeiterpartei, welchem Höhenkoller du auch dann noch unterliegst, wenn du deine AZ im kleinen Boulevard-Format herausgibst! Merk's, du Patschachter, daß du an der Mentalität „Der Papa wird's schon richten“ zugrunde gehst!

Die Liste der Merksätze, von denen viele auch namentlich adressiert sind, ist zu lang, als daß sie hier Platz fände. Denn Muliar kennt alle, und alle kennen ihn. Diese gesellschaftliche Vernetzung taugt auch als Auffangnetz, mit dem der Autor wie ein Feuerwehrmann durch die heimische brenzliche Medienlandschaft fährt, um die in Erstik-kungsgefahr keuchende Wahrheit zum rettenden Sprung in sein

Net? zu animieren.

Denn Bereitschaft zu gemeinschaftlichem Denken und Handeln ist ein wesentlicher Zug in dem ebenso vitalen wie hintergründigen Muliar-Porträt, das György Sebestyen im Vorwort entworfen hat. Der perfekte Schauspieler Muliar ist, wie jeder große Komiker, sensibel für den tragischen Kern der Epoche. Liegt er derzeit in der kitschigen Schaustellung von Politik? Muliar antwortet darauf in seinen „Liebesbriefen an Österreich“.

LIEBESBRIEFE AN OSTERREICH. Von Fritz Muliar. Vorwort von György Sebestyen. Carl Ueberreuter Verlag. Wien 1986. 142 Seiten, Ln., öS 149,-.

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