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Mit Trennscheibe .

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Politbüro- und ZK-Mitglieder in Ost-Berlin, Warschau und Prag dürfen aufatmen. Sie brauchen nicht mehr länger in betagten Tschaika-oder Wolga-Limousinen ihrem schweren Tagewerk nachzugehen. Der allgemeinen Devisenknappheit Rechnung tragend, die den Import von Mercedes für die nächsten Jahre behindern wird, halben die tschechischen Tatra-Werke nach fünfjähriger Planungs- und Erprbbungszeit jetzt den Wagen für die gehobene

Punktionärsschichit auf den Markt gebracht: den Tatra 613.

Hinter dieser knappen Typenbezeichnung verbirgt sich eine luftgekühlte (!) V-8-Maschine mit 165 Pferdestärken und 190 Stundenkilometern Spitze. (Daß man auf den Straßen im Ostblock gar nicht so schnell fahren kann, ist den Konstrukteuren offenbar entgangen.)

Bei 110 Stundenkilometern Durchschnittsgeschwindigkeit wird der Verbrauch mit 18 Liter Superkraft-stoff pro hundert Kilometer angegeben, pro tausend Kilometer .sind eineinhalb Liter Motoröl einzufüllen. Von der Energiekrise zeigen sich die Oberschichten der kommunistischen Funktionärsbürokratie nicht sehr beeindruckt.

Zwei unabhängig voneinander operierende Benzin-Standheizungen sorgen dafür, daß den Bonzen auch im fernen Sibirien niemals kalt wird. (Benzinverbauch der Heizung: ein knapper Dreiviertelliter pro Stunde.)

Der Dreieinhalb-Liter-Heckmotor beschleunigt den 1670 Kilogramm schweren Funktionärsschlitten innerhalb von 12,2 Sekunden auf 100 km/h, zwei unabhängige Bremskreise sorgen dafür, daß man rechtzeitig stehen bleiben kann. (Obwohl erfahrungsgemäß beim Anblick solcher Wagen eilfertige Polizisten die Ampel sofort auf Grün stellen. Man kann ja nie wissen...)

Im Styling bietet der Tatra 613 wenig Überraschungen. Die Firma ist ihrem seit 1933 selbstauferlegten Grundsatz von der absolut windschlüpfrigsten Form treu geblieben. Und so erinnert der Wagen, wie sein Vorgänger, der Typ 603, an einen futuristischen Haifisch. 21.000 Autos vom Typ 603 sind in den letzten 19 Jahren ausgeliefert worden, vornehmlich in die DDR, nach Polen und innerhalb der CSSR. Vom 613 will man in diesem Jahr noch

300 Stück fertigstellen. Für nächstes Jahr sind 1500 vorgesehen. An Export in den Westen denkt das Werk in Novy Jicin in Nordmähren nicht Das Funktionärs-Fahrgefübl soll West-Bürgern versagt bleiben. Theoretisch kann jeder Tschechoslowafce so ein Auto in einem Mototechna-Geschäft erwerben. Er kostet 102.000 Kronen, und das entspricht drei Jahres-Durchschnittseinkom-men eines Normal Verdieners!

Das Erscheinen des Tatra 613 war vom Parteiorgan „Rüde Prävo“ bereits vor fünf Jahren angekündigt worden. Am 9. Juni 1970 verkündete das Blatt stolz, die Karosserie des neuen Wagens sei vom italienischen Designer Vignale komponiert worden, mit ersten Testläufen sei 1972 zu rechnen. „Rud^ Prävo“ veröffentlichte damals auch ein Photo des Prototyps.

Tatsächlich wurde die erste Testserie erst 1973 aufgelegt vor allem wegen der erhöhten Priorität des Tatra-Lastwagenbaus. Weitere zwei Jahre waren bis zur nun gegebenen Serienreife notwendig.

Noch einen Blick auf die Liste der zur Verfügung stehenden Extras. An erster Stelle steht die (im Westen wegen Aufprallgefahr verbotene) Trennscheibe zwischen den Front-und den Rücksitzen: Abstand also zwischen Herr und Knecht in einer klassenlosen Gesellschaft...!

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