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Mörder ohne Geheimnis

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Die Mystifikation ist die Zwillingsschwester der Glorifikation. Da auch heute noch kein Autor, der ernst genommen werden will, Hitler & Co glorifizieren kann, schießt die Mystifikation üppig ins Kraut. Sie leistet dem Selbstbetrug Vorschub, man habe nicht wissen können, was man hätte wissen müssen.

Reinhard Heydrich wird besonders gern mystifiziert. Manche Geschichtsschreiber des Dritten Reiches stilisieren ihn geradezu liebevoll zum psychologischen Rätsel, ja zum Dämon, hoch. Dies macht die neue, nüchterne, ganz auf Ent-Mystifizierung angelegte Heydrich-Biographie von Edouard Calic so wichtig.

Die deutsche Ausgabe erscheint in einem Verlag, der sich seit vielen Jahren um Literatur bemüht, die Zeitgeschichte nicht als uner-forschliches Schicksal darstellt, sondern verstehbar macht.

Der Chef des Reichssicherheitshauptamtes, Reichsprotektor von Böhmen und Mähren und Massenmörder stammte aus guter deutscher Familie; sein Vater, ein berühmter Opernsänger, galt als Ideal-Lohengrin. Der junge Heydrich sah außerdem aus wie Adolf Hitlers Traum vom „germanischen Ubermenschen". Hitler nannte ihn dann auch „einen der besten Nationalsozialisten", nachdem er im Juni 1942 einem Attentat tschechischer Widerstandskämpfer zum Opfer gefallen war.

Heydrichs Dämonisierung' könnte nicht zuletzt in der Weigerung wurzeln, in einem solchen Menschen qualitativ einen gewöhnlichen, wenn auch quantitativ einen besonders großen Verbrecher zu sehen. In diesem Lichte erscheint die Legende von Heydrichs Halbjudentum besonders niederträchtig, aber auch psychologisch verräterisch.

Calic stellt ihn überzeugend als skrupellosen Aufsteiger dar, der für Macht und Geltung über Leichen geht.

REINHARD HEYDRICH. Schlüsselfigur des Dritten Reiches. Von Edouard Calic. Droste Verlag. Düsseldorf 1982. 580 Seiten, Ln. öS 364,80

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