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Mühl und Müll - widerlich

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Monsignore Otto Mauer, der große Domprediger und Mentor der Wiener Kunstszene, der, obwohl schon fast zwanzig Jahre tot, noch immer unvergessen und ohne eigentlichen Nachfolger geblieben ist, erzählte mir einmal, daß er auf die mündliche Einladung von Otto Mühl zu einer seiner Vernissagen geantwortet habe: „Herr Mühl, Sie besuche ich nur als Priester, und zwar im Gefängnis, wo Sie ja hingehören."

Nun, da das von Mauer Erwartete eingetreten ist, hat man einmal mehr Grund, den prophetischen Blick dieses Mannes, das ihm eigene altkirchliche Charisma der Unterscheidung der Geister, der Sonderung von Spreu und Weizen, zu bewundem.

Jedenfalls hat Mauer, der sehr liberal und großzügig war, der aber auch die Grenzen gegenüber dem, was vom Übel ist, zu ziehen und zu wahren wußte, mit seiner Einschätzung Mühls mehr Scharfblick bewiesen als jene burgenländischen Landes- und jene Bundespolitiker, die ihre schützende Hand über Mühl und seine Kommune hielten und sich finanziell und auch sonst für sie verwendeten, wohl aus Angst, andernfalls für nicht genügend modern und avantgardistisch gehalten zu werden. Dabei hätte ihnen ihr Instinkt sagen müssen, daß es sich bei Mühl und den Seinen um moralischen Müll handelte.

Es ist nicht nur die Lust an einem weiteren Wortspiel, die auch die Volksweisheit als für diesen Fall passend hält: „Gottes Mühlen mahlen langsam, aber sicher." Doch nicht nur dieses fromme Sprichwort trifft auf Mühl und seine Taten zu, sondern leider, und zwar im wörtlichen Sinne, auch das Herrenwort: „Wer eines von diesen Kleinen, die an mich glauben, zum Bösen verführt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals im tiefen Meer versenkt würde" (Mt 18/6).

Die Mühl'sche Kommune ist trotz aller Unterstützung, die sie genoß, und trotz aller Versuche, sie zu verherrlichen oder wenigstens zu verharmlosen, gescheitert, das Experiment einer Diktatur der „freien Sexualität", einer widerlichen Mischung von anarchistischer Promiskuität und persönlicher Diktatur eines einzelnen, hat sich ad absurdum geführt.

Was an dieser traurigen Angelegenheit trotz allem optimistisch stimmt, ist die Tatsache, daß diesem Treiben nicht erst von außen Einhalt geboten wurde, sondern daß sich die edleren Regungen der menschlichen Natur gegen den Versuch, sie auf Dauer zu unterdrücken und zu vergewaltigen, auch dort durchgesetzt haben. Letzten Endes waren es die verpönte Zweierbeziehung und die Familie, die sich als Ordnungsmuster gegen eine Utopie, die weder schön noch tragisch war, selbst in dieser Kommune wiedereingestellt und den Sieg davongetragen haben.

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