7063825-1991_47_04.jpg
Digital In Arbeit

Politiker als Kommunen-Förderer

Werbung
Werbung
Werbung

Der österreichische Aktionist Otto Mühl, der sich ein florierendes Kommunen-Imperium aufgebaut hatte, wurde wegen Sexualverbrechen an jungen Mädchen zu sieben Jahren Haft verurteilt. In diesem Prozeß spielte auch ein politischer Hintergrund eine Rolle, wie er seit den Verhandlungen gegen Proksch nicht mahr ganz unbekannt ist. Als Hilde Schmölzer im Jahr 1973 ihr Buch „Das böse Wien" veröffentlichte, charakterisierte sie Mühl so: „Seine" Popularität hat er vor allem Skandalen zu verdanken, denn seine spektakulären Auftritte brachten ihm nicht nur über vier Monate Gefängnis ein, sondern auch die nötige Publicity." Und die braucht man in Österreich, um auch von staatlichen Stellen Geld zu bekommen. Vom burgenländischen Landeshauptmann Theodor Kery zum Beispiel erhielt Otto Mühl für seine Kommune „Friedrichshof' 43 Millionen Wohnbauförderung. Und als es darum ging, auf den Kanarischen Inseln eines seiner Projekte zu verwirklichen, intervenierten Karl Blecha und Hilde Hawlicek beim zögernden spanischen Ministerpräsidenten Felipe Gonzales, indem sie auf die internationale Bedeutung Otto Mühls hinwiesen. Jedem, der sich dafür interessierte, war bis zu diesem Zeitpunkt längst bekannt, wie fragwürdig der Geförderte war - auch als Künstler. Kunst, so definierte er einmal, geschehe überall dort,

„wo wirklich fortschrittliche Sachen passieren, wo sich die Polizei genötigt fühlt, einzuschreiten". Es war auch bekannt, daß Mühl bei seinen Aktionen nur als „Mittäter" dulden wollte, wenn er sich seiner autoritären Führung unterwarf. Schon damals wurden den Aktionen Mühls faschistoide Tendenzen vorgeworfen, und Henryk M. Broder schrieb schon vor 20 Jahren: „So wurde ein Mann aufgebaut, dem es immerhin gelungen ist, im Kleinen praktizierten Faschismus als revolutionäre Kunst zu verkaufen." Nur aus rechtlichen Gründen schreckte Mühl zum Beispiel davor zurück, einen potentiellen Selbstmörder in einer Materialaktion auftreten zu lassen und einem Hermann Nitsch warf er vor, sich in künstlerischen Traditionen zu bewegen und Theorien zu proklamieren, „die das Sein verherrlichen". Aber es genügte offensichtlich bis in die späten achtziger Jahre hinein, einmal gegen den Vietnam-Krieg gewesen zu sein und mit der Black-Panther-Bewegung sympathisiert zu haben, um als „linker Künstler" förderungswürdig zu sein. Freie Sexualität, Vernichtung der Ehe als Institution, das Niederreißen alter Wertvorstellungen und das Zerstören von Tabus waren die Ziele des Aktionisten Mühl. Für einige österreichische Politiker war das Anlaß genug, ihn mit Steuermillionen zu subventionieren.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung